Seite - 295 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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4.1. Michael Pfurtscheller als Gemeindevorsteher 295
einer eventuellen Abschaffung des ständigen Aktuariats in Schönberg zusammenzu-
fassen und in seinem Namen an den Richter des Landgerichts Innsbruck, Johann von
Lama, zu schicken.30 Dieses Schreiben wurde nun zum Anlass genommen, auch die
Verlegung des Gerichts- beziehungsweise Aktuariatssitzes anzuregen:
„Schlüßlich gehet auch der inner Schönberg liegende Ortschaften allgemeine Wunsch und
Verlangen dahin, daß der Sitz des künftigen Hrn. Aktuars tiefer in das Thal – in Gnaden
verleget werden wollte! Und das sich es die Gemeinden Mieders, Telfes – oder der Thalmit-
telpunkt Orth – Fulpmes zur Ehre rechnen würden, dem Neuen Hrn. Actuar anständig zu
bequartieren.“31
Es wurde in der Folge allerdings weder ein exponierter Aktuar noch ein Landrichter
nach Mieders, Telfes oder Fulpmes entsandt. Stattdessen blieb es vorerst beim expo-
nierten Aktuar in Schönberg, 1810 wurde für das Stubaital dann ein Landgericht
dritter Klasse mit Sitz in Schönberg eingerichtet.32
Wie „allgemein“ der Wunsch nach der Verlegung des Gerichtssitzes, beziehungs-
weise nun des Aktuarspostens, wirklich war, ist ohnehin fraglich, zumindest wenn
man dem Urteil des zuständigen Landrichters Johann von Lama traut, der hinter den
Beschwerden der Stubaier die Privatinteressen einiger weniger vermutete.33 Dabei
hatte man sich vonseiten der Gemeinde Fulpmes noch bemüht, den Beschwerden
durch die Hinzufügung von fünfzig Unterschriften besonderes Gewicht zu verschaf-
fen. Auch Michael Pfurtscheller hatte unterzeichnet.34 Allein schon diese Unterschrift
weist klar darauf hin, dass auch Pfurtscheller die Verlegung des Gerichtssitzes be-
fürwortete, selbst wenn das höhere Kosten für die Gemeindekasse bedeutete. Dieser
Eindruck verstärkt sich noch zusätzlich angesichts der folgenden Argumentationsli-
nie der Stubaier Bitt- und Beschwerdeschreiben, die die Interessen der Eisenwaren-
händler – und Pfurtscheller war zu diesem Zeitpunkt wohl bereits der bedeutendste
von ihnen35 – widerzuspiegeln scheint. So heißt es in der Eingabe der Stubaier an den
bayerischen König vom 1. März 1807:
30 Vgl. Vollmacht von Elias Domanig für Michael Pfurtscheller, 16. Januar 1807, TLA, GLK für Tirol,
Karton Nr. 7, V/I/DI/1.
31 Michael Pfurtscheller an Johann von Lama, 19. Januar 1807, TLA, GLK für Tirol, Karton Nr. 7,
V/I/DI/1.
32 Vgl. Kap. 3.3.3.2.
33 Vgl. Bericht von Lamas an das Generallandeskommissariat, 20. Januar 1807, TLA, GLK für Tirol,
Karton Nr. 7, V/I/DI/1.
34 Vgl. Stellungnahme der Gemeinde Fulpmes an das LG Innsbruck, 18. Januar 1807, TLA, GLK für
Tirol, Karton Nr. 7, V/I/DI/1.
35 Vgl. Kap. 6.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435