Seite - 297 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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4.1. Michael Pfurtscheller als Gemeindevorsteher 297
gerichtetes Schreiben aus Pfurtschellers Nachlass vom 14. April 1814 zeugt von die-
sen Bemühungen: „Du wirst bittere Vorwürfe haben, wenn du nicht mitwirckest“,
prophezeit er darin seinem „lieben Collegia“, schließlich wären über 80 Prozent der
Bevölkerung für eine Verlegung.39 Für die Erhaltung des Gerichtsgebäudes würden
außerdem ohnehin die Fulpmer aufkommen, verspricht Pfurtscheller weiter.40
Im folgenden Jahr zeigte sich dann, dass Pfurtscheller mit seinen Bemühungen
um eine Allianz mit dem Ziel der Verlegung des Gerichtssitzes erfolgreich war: Am
21. Mai 1815 hatte er den Entwurf einer Bittschrift41 fertiggestellt, die wohl an den
neuen Landesgouverneur Graf von Bissingen42 übergeben werden sollte.43 In deren
zweiten Punkt wurde gebeten, „den Stubajschen Landger. Sitz – von der äußersten
Gränze Schönberg – Tiefer in das Thal übersetzen zu lassen! Da die entlegentsten
Unterthanen – 6 Stunden bis zum Obrigkeitlich Sitz zurücklegen – und nicht selten
dort übernachten müßen.“44 Vorab ersuchte Pfurtscheller jedoch noch die Gemein-
devorsteher von Neustift, Mieders, Telfes und Kreith um deren Zustimmung zu sei-
nem Entwurf, die diese auch durch ihre Unterschriften bekundeten.45
Mit welcher Hartnäckigkeit die Verlegung des Gerichtssitzes verfolgt wurde, dar-
auf weist auch ein weiterer Entwurf einer diesbezüglichen Bittschrift – ebenfalls aus
dem Jahr 1815 – aus dem Nachlass Pfurtschellers hin.46 Diesmal war der Adressat der
39 Vgl. Pfurtscheller an „Lieber Collegia“, 14. April 1814, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, II, Bund
1, Nr. 5. – Der Adressat wird nicht genannt. Da Pfurtscheller jedoch in diesem Schreiben den „Ei-
gensinn“ der Miederer und Schönberger kritisiert, und vor dem Hintergrund, dass mehrere Schrei-
ben Pfurtschellers an andere Gemeindevorsteher im Tal – vor allem an den von Neustift – vorhanden
sind, in denen die Anrede „Lieber Collegia“ verwendet wird, liegt der Schluss nahe, dass auch dieses
an den Ortsvorsteher von Neustift oder Telfes gerichtet war. Da Pfurtscheller in Aussicht stellt, „für
Thal Neustift wäre es [die Verlegung des Gerichtssitzes nach Fulpmes] so wie für hiesige Ortsbewoh-
ner augenfälliger Vortheil“, erscheint es am wahrscheinlichsten, dass der Gemeindevorsteher von
Neustift der Adressat dieses Schreibens war.
40 Vgl. ebd.
41 Vgl. Entwurf Bittschreiben an Gouverneur von Bissingen, 21. Mai 1815, TLMF, Hist. Samml.,
Nachl. MP, II, Bund 1, Nr. 8.
42 Vgl. Kap. 3.2.2., Anm. 112.
43 Es handelt sich wohl um einen Entwurf zu der Bittschrift, die am 18. Juni 1815 von den Gemeinde-
vorstehern in Innsbruck an den Landesgouverneur übergeben wurde. (Vgl. Fuhrkostenabrechnung
Gerichtkassier Seewald, 13. Oktober 1820, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, II, Bund 1, Nr. 7;
sowie: Entwurf Bittschreiben an Kaiser Franz I., o. D. [1815], TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, II,
Bund 1, Nr. 14.)
44 Vgl. Entwurf Bittschreiben an Gouverneur von Bissingen, 21. Mai 1815, TLMF, Hist. Samml.,
Nachl. MP, II, Bund 1, Nr. 8.
45 Vgl. ebd.
46 Vgl. Entwurf Bittschreiben an Kaiser Franz I., o. D. [1815], TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, II,
Bund 1, Nr. 14. – Noch während der bayerischen Regierungszeit hätten sich auch die Richter von
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435