Seite - 309 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 309 -
Text der Seite - 309 -
4.3. Exkurs: Anton Lutz und die Unbeliebtheit von Gemeindeämtern 309
Der daraufhin vom Landrichter verfasste Bericht offenbart, dass im Stubaital
schon seit Jahren – an den Bestimmungen des eben erwähnten „Gemeinde-Regulie-
rungs-Gesetzes“ aus dem Jahr 1819 vorbei – nur alle drei Jahre eine Gemeindevor-
steherwahl abgehalten worden war. Möglicherweise hatte man die Regelung der im
Herbst 1808 von der bayerischen Regierung erlassenen „Instruktion der Gemein-
devorsteher“ beibehalten. In dieser war die Amtszeit des Vorstehers auf drei Jahre
festgesetzt worden.86
„In den frühern Jahren wurde in den diesgerichtl. Gemeinden immer nur von drei zu drei
Jahren die Gemeindevorsteherwahl vorgenommen, und erst in den letzten Jahren mußten
auf Andringen der Gemeindevorsteher theils zu zwei theils auch zu einem Jahre Gemeinde-
vorsteher Wahlen vorgenommen werden.“87
Die oben beschriebenen Diskussionen rund um die Wiederwahl von Gemeindevor-
steher Anton Lutz zeigen also die von Landrichter von Guggenberg hier skizzierte
Entwicklung. Ob Lutz und der ebenfalls bereits erwähnte Georg Denifle mit ihrer
Weigerung, das Amt des Gemeindevorstehers länger als die gesetzlich vorgeschrie-
bene Frist eines Jahres auszuüben, gar die Initialzündung dazu gaben, bedürfte ein-
gehenderer Nachforschungen.
Jedenfalls beobachtete der Landrichter diese „neue“ Tendenz mit Argwohn. Es sei
aus den folgenden Gründen „sehr zu wünschen, daß die Dauer des Vorsteheramtes
auf drei Jahre festgesetzt werde“:88
„Die jährliche Wechslung der Gemeindevorsteher wirkt offenbar nachtheilig auf das Ge-
meindewesen; denn abgesehen davon, daß sich der gewählte Vorsteher in dem kurzen
Zeitraume von einem Jahre nicht die gehörige praktische Brauchbarkeit aneignen kann,
und es für dieses kurze Zeit oft auch nicht der Mühe werth hält, suchen die auf ein Jahr
gewählten Vorsteher, wie es leider die Erfahrung zeigt, oft für die Gemeinden wichtige
86 Vgl. K.B. Reg.-Bl. 1808, Nr. 61, 19. Oktober 1808, Sp. 2434; sowie: Kap. 3.3.3.1. – Auch die
vor der bayerischen Reorganisation des Gemeindewesens in Fulpmes übliche Einrichtung zweier
Gerichtsverpflichteter anstelle eines Gemeindevorstehers hatte angeblich bereits eine dreijährige
Amtszeit vorgesehen. (Vgl. Bittschreiben um Gerichtsverpflichtete statt Gemeindevorsteher, 10. Juli
1817, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 35, 1800–1827 (loses, ungeordnetes Aktenmaterial); so-
wie: Kap. 3.3.3.1., Anm. 177.) Angesichts der etwas über neunjährigen Amtszeit Michael Pfurtschel-
lers ist folglich wohl eine zweimalige Wiederwahl – in den Jahren 1811 und 1814 – anzunehmen.
87 KA Schwaz an LG Mieders, 23. September 1846, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 54, 1846, Abt.
III. – Auf der Rückseite findet sich die hier zitierte Abschrift des Antwortschreibens: Abschrift LG
Mieders an KA Schwaz, 28. September 1846, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 54, 1846, Abt. III.
88 Ebd.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435