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4.4. Michael Pfurtschellers „Feinde“ 311
„Wie der Landrichter von Stubay94 mir sagt, gewinnt es das Ansehen, als sollte Fulpmes
gleichsam eine Fabrik Pfurtschellers werden. Die Meister werden immer mehr von ihm
abhängig; er versieht sie mit Stahl, Eisen, Lebensmitteln etc. wodurch sie in die Nothwen-
digkeit versetzt werden, ihre Fabrikate wieder an ihn zu verkaufen. Er hält in seinem Hause
nun auch eine Bierschenke, die seine abhängigen Arbeiter vor der andern zu besuchen
gezwungen sind.“95
Wohl nicht nur von den betroffenen Schmiedemeistern, auch vom in die Angelegen-
heit nicht direkt involvierten Stubaier Landrichter wurde Pfurtschellers wirtschaft-
liche Dominanz also offenbar kritisch betrachtet. Auf einen ganz ähnlichen Bericht
des Landrichters Alois von Guggenberg aus dem Jahr 1827, wonach sich mehrere
Schmiede bei der Obrigkeit darüber beklagt hätten, Pfurtscheller, „der Herr des Prei-
ses der Stubaier-Fabricate setze diesen willkührlich herab, und bedinge den Bezug
derselben auf die Abnahme seines rohen Eisens, der Tuch- und Schnittwaren, und
seiner Verlags-Victualien“96, wird noch näher eingegangen werden.97
Konflikte ergaben sich jedoch auch anlässlich kommunalpolitischer Entscheidun-
gen. Auch noch lange nach seiner Tätigkeit als Gemeindevorsteher beanspruchte
Pfurtscheller hier eine entscheidende Rolle zu spielen. Als sich beispielsweise die Ge-
meindevorstehung unter Vorsteher Lorenz Tanzer über einen wenig früher gefassten,
auch von Michael Pfurtscheller unterzeichneten, Gemeindebeschluss hinwegzuset-
zen gedachte – so zumindest die Darstellung Pfurtschellers –, richtete dieser ein Be-
schwerdeschreiben an das Landgericht Mieders. Obwohl er von den Entscheidungen
der Vorstehung gar nicht direkt betroffen war, ersuchte er die Behörden – Kreisamt in
94 Dipauli dürfte mit Landrichter Johann von Payr gesprochen haben. Aus Neumarkt im Bozner Un-
terland stammend, hatte dieser – nach mehrjähriger Tätigkeit für die Landgerichte Landeck und
Kufstein – am 12. Februar 1814 sein Amt als Landgerichtsverwalter in Schönberg angetreten. (Vgl.
Personalstandstabelle LG Stubai, 24. April 1814, TLA, Generalkommissariat des Innkreises, Karton
Nr. 15, 3/I/F-I/2a (2. Teil), Nr. 9.) Später wurde er dann zum Landrichter ernannt, was er auch
blieb, bis das Landgericht Stubai gemäß dem kaiserlichen Organisationspatent vom 14. März 1817
mit dem 1. Mai dieses Jahres im Landgericht Matrei aufging. (Vgl. Anm. 13.) Das Schreiben, mit
dem Johann von Payr seine Ernennung zum Richter des Landgerichtes Fügen annahm, erreichte
das Kreisamt in Schwaz am 11. April 1817. (Vgl. TLA, KA Schwaz, Jahresjournal 1817, Bd. 39, Zl.
2156.)
95 Andreas Alois Dipauli, „Bemerkungen auf einer kleinen Fußreise in die Umgebungen von Inns-
bruck, im J. 1814. Von Andr. Alois de Pauli, k.k. Appellationsrath.“, TLMF-Bib., Dip. 692/IV, S. 27
f. – Auf die Abhängigkeit vieler Schmiede von Verleger Michael Pfurtscheller wird an anderer Stelle
noch detaillierter eingegangen: vgl. Kap. 6.3.4.
96 Abschrift LG Mieders an KA Schwaz, 27. Juni 1827, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 35, 1800–
1827 (loses, ungeordnetes Aktenmaterial ganz am Ende dieses Faszikels).
97 Vgl. Kap. 6.3.4.2.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435