Seite - 323 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 323 -
Text der Seite - 323 -
5.2. Michael Pfurtscheller heiratet 323
Das Hochzeitsdatum, der 16. September 1805, sei, so schreibt Andreas Oberhofer,
untypisch für den ländlichen Raum in Tirol.37 Der September war für jene Bevölke-
rungsteile, die ihren Lebenserhalt hauptsächlich agrarisch erwirtschafteten, als Ernte-
monat für eine Hochzeitsfeier sicherlich ungeeignet. Da es sich bei den Familien von
Braut und Bräutigam jedoch um Wirts- beziehungsweise Handelsfamilien handelte,
wird klar, dass einer Hochzeit im September schon allein deshalb nichts entgegen-
stand. Ob jedoch das Datum auch, wie Oberhofer anregt, gewählt wurde, um die
eigene „soziale Abgehobenheit von der rein bäuerlichen Bevölkerung“ zu demonst-
rieren,38 ist fraglich – besonders in Fulpmes, dem Heimatort Michael Pfurtschellers,
mit einem großen Anteil an Einwohnern, die ihren Lebensunterhalt als Handwerker
oder Händler, in erster Linie in der Erzeugung von und im Handel mit Metallwaren,
erwirtschafteten.39
Das Heiratsalter liegt mit 29 beziehungsweise 24 Jahren knapp unter dem Durch-
schnitt, den Hermann Wopfner in seinem „Bergbauernbuch“ für Tirol in den Jahren
1830/1832 mit 29,9 bei Männern und 26,3 bei Frauen angibt.40 Die von Franz Fliri
für die Unterinntaler Gemeinden Baumkirchen, Fritzens, Gnadenwald und Terfens
durchgeführte Untersuchung zur Bevölkerungsgeographie setzt das mittlere Hei-
ratsalter bei bäuerlichen Erstehen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – Anna
Lener und Michael Pfurtscheller passen aufgrund ihres familiären Hintergrundes nur
sehr bedingt in diese Kategorie – bei 35,3 Jahren bei Männern beziehungsweise 30,2
37 Vgl. Oberhofer, „Andere“ Hofer, 2009, S. 146. – Etwa drei Viertel aller Ehen seien im ländlich Be-
reich im Winterhalbjahr zwischen November und April geschlossen worden, so schreibt Franz Fliri.
Praktisch „heiratsfrei“ waren während dieser Monate lediglich der Advent und die Fastenzeit. (Vgl.
Franz Fliri, Bevölkerungsgeographische Untersuchungen im Unterinntal. Baumkirchen, Fritzens,
Gnadenwald und Terfens (Schlern-Schriften 55), Innsbruck 1948, S. 66 f.)
38 Oberhofer, „Andere“ Hofer, 2009, S. 146.
39 Bei einer Einwohnerzahl von rund 900 spricht beispielsweise Landgerichtsassessor Johann von An-
reiter im Jahr 1808 von nicht weniger als 15 Hammerschmieden und 89 Handschmieden in Fulp-
mes. Hier lag eindeutig der Schwerpunkt der Metallwarenerzeugung, in der laut Anreiter im gesam-
ten Tal 86 Meister, 46 Gesellen, 43 Lehrjungen und auch 87 Frauen beschäftigt waren. Daneben gab
es im Dorf auch noch eine ganze Reihe von Handelskompanien und Verlagshändler, die sich dem
Verkauf der produzierten Waren widmeten. (Vgl. Schematismus Diözese Brixen 1812 [CATALO-
GUS PERSONARUM ECCLESIASTICARUM DIOECESIS BRIXINENSIS IN FINE MENSIS
JUNII ANNI MDCCCXII], Brixen 1812, S. 128; sowie: Johann von Anreiter beantwortet Fragen
zum Stubaital, o. D. [1808], Statistische Nachrichten vom Thale Stubay, zusammengestellt von
Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil E, Nr. 5 u. 6.) – Auf die Erzeugung von
und den Handel mit Metallwaren sowie auf die Verlässlichkeit von Zahlen und Daten zur Stubaier
Wirtschaft Anfang des 19. Jahrhunderts wird in Kapitel 6 noch ausführlich eingegangen.
40 Vgl. Hermann Wopfner, Bergbauernbuch. Von Arbeit und Leben des Tiroler Bergbauern, Bd. 1:
Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte (Schlern-Schriften 296), Innsbruck 1995, S. 303.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435