Seite - 324 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 324 -
Text der Seite - 324 -
324 5. Familie Pfurtscheller
Jahren bei Frauen an.41 Die von Elisabeth Mantl aus dem späteren Bezirk Innsbruck
Land zusammengetragenen Zahlen aus den Beispielgemeinden Navis, Gschnitz und
Götzens bewegen sich in einem ähnlichen Bereich. Bei den Bräutigamen lag das mitt-
lere Erstheiratsalter zwischen 32,5 bei Männern aus Götzens in den Jahren 1784 und
1835 und 38,8 bei Männern aus Navis in den Jahren 1796 und 1820. Die Bräute
waren ebenfalls in Götzens mit durchschnittlich 29,5 Jahren am jüngsten, am ältes-
ten in Gschnitz mit 31,3 Jahren.42
Bereits eine Woche vor der Eheschließung, am 9. September 1805, wurde vom
Brautpaar ein „Ehevertrag“43 unterzeichnet.44 Dieser ermöglicht einen Einblick in
die rechtlichen, vor allem aber in die finanziellen Aspekte der Heirat. Derartige Ver-
träge dienten der Regelung der wirtschaftlichen – vor allem erbrechtlichen – Be-
lange einer Ehe. Nicht zuletzt wurde auch die finanzielle Absicherung der Frau für
den Fall des früheren Ablebens ihres Ehemannes geregelt. Zwingend vorgeschrieben
waren solche Vereinbarungen jedoch nicht.45 Sie wurden entweder gerichtlich pro-
tokolliert oder im privaten Rahmen geschlossen und aufbewahrt. Im letzteren Fall
sind die betreffenden Verträge einer historiographischen Untersuchung meist nur
schwer oder gar nicht zugänglich. So ist auch der Lener-Pfurtschellerische Ehepakt
nur überliefert, weil er im Rahmen der Verlassenschaftsabhandlung nach dem Tod
Anna Leners im Jahr 1811 ins gerichtliche Protokoll aufgenommen wurde.46 Diese
41 Vgl. Fliri, Bevölkerungsgeographie, 1948, S. 30. – Für nichtbäuerliche Ersteheschließungen im sel-
ben Zeitraum bietet Fliris Untersuchung leider keine Werte.
42 Vgl. Elisabeth Mantl, Heiratsverhalten und Fruchtbarkeit in der ländlichen Bevölkerung Tirols (18.
bis 20. Jahrhundert), phil. Dipl., Innsbruck 1990, S. 140.
43 Der Begriff „Ehevertrag“ ist hier aus der Diktion des Vertrages zwischen Anna Lener und Michael
Pfurtscheller entlehnt. Im Sinne des ABGB von 1811 ist zwischen dem „Ehevertrag“, als der Wil-
lenserklärung zweier Personen, „in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie
zu erziehen, und sich gegenseitig Beistand zu leisten“ und einem „Ehepakt“, in dem die güterrechtli-
chen Vereinbarungen einer Eheschließung festgehalten werden, zu unterscheiden. (Vgl. Allgemeines
bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie,
Wien 1811 [= ABGB 1811], Teil I, § 44, S. 17 u. Teil II, § 1217, S. 349.) In weiterer Folge wird die
juristisch inkorrekte Form „Ehevertrag“ vermieden. Der Begriff „Heiratskontrakt“ wird als Synonym
für „Ehepakt“ verwendet. (Vgl. dazu auch Lanzinger, Heiratskontrakte, 2010, S. 222.)
44 Vgl. Ehepakt Michael Pfurtscheller und Anna Lener, 9. September 1805, TLA, VB Stubai, 34/245,
Registerteil 2, Bl. 196 r–200 v.
45 Vgl. Forster, Handlungsspielräume, 2007, S. 92–95. – Besonders ausführlich hat sich Margareth
Lanzinger mit derartigen Verträgen aus dem ländlichen Tiroler Raum in ihrer Analyse der Heirats-
kontrakte in den Südtiroler Gerichten Welsberg und Innichen aus den Jahren zwischen 1750 und
1850 beschäftigt. (Vgl. Lanzinger, Heiratskontrakte, 2010.)
46 Vgl. Verlassenschaftsabhandlung Anna Lener, 17. September 1812, TLA, VB Stubai, 34/245, Re-
gisterteil 2, Bl. 196 r–200 v. – Anna Lener war am 28. Dezember 1811 gestorben. (Vgl. Sterbebuch
Fulpmes II, TLA, Mikrofilm Nr. 0661, Abschn. 6.) Die Angabe Granichstaedten-Czervas, wonach
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435