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5.2. Michael Pfurtscheller heiratet 327
sephinischen Gesetzbuches.55 Durch den zweiten und dritten Punkt des Lener-Pfurt-
schellerischen Ehepaktes wurde also offensichtlich eine Art Vermögensdepot angelegt,
eine Lebensversicherung, die im Falle des Ablebens eines Ehepartners dem Hinter-
bliebenen in jedem Fall garantiert sein sollte. Dazu passt die Analyse Forsters, wonach
als „Endzweck beider Heiratsgaben“ die finanzielle „Absicherung des überlebenden
Eheteils“ zu betrachten sei.56 Bemerkenswert ist dabei die Höhe der von Lener und
Pfurtscheller eingezahlten Beiträge von 1000 Gulden Heiratsgut beziehungsweise ei-
ner Widerlage von 2000 Gulden. „Mehrheitlich bewegte sich die Summe des Heirats-
gutes allerdings zwischen 100 und 200 Gulden“, so schreibt Margareth Lanzinger.57
Als einen ungefähren Mittelwert an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert gibt El-
linor Forster für den städtischen Bürger- beziehungsweise Handelsstand in Innsbruck
ein Heiratsgut von 500 und eine Widerlage von 1000 Gulden an, betonend, dass
hinsichtlich der Heiratsgaben nicht „je höher desto besser“ galt. „Bürgerliche Heirats-
stiftungen58 sahen beispielsweise ein Heiratsgut von 300 Gulden vor“, so Forster wei-
ter.59 Als eine naheliegende Vergleichsgröße zur besseren Einschätzung der Höhe der
eingebrachten Heiratsgaben bietet sich ein von Michael Pfurtscheller selbst im Jahr
1805 getätigter Grundstückskauf an: Er bot auf einer in Schönberg am 17. Mai 1805
durchgeführten Auktion 776 Gulden für einen 1640 Quadratklafter – das entspricht
mit rund 5900 Quadratmetern in etwa der Größe eines modernen Fußballrasens –
großen Acker in Fulpmes und erhielt den Zuschlag.60 Es handelte sich also offensicht-
lich sowohl bei Anna Leners Heiratsgut als auch und erst recht bei der Widerlage ihres
Bräutigams um überdurchschnittlich hohe Summen.61
55 Vgl. JGS Nr. 591/1786 (Patent vom 1. November 1786), 3. Hauptstück, §§ 51–116, S. 89–102.
(= „Joseph des Zweyten Römischen Kaisers Gesetze und Verordnungen im Justiz-Fache“, 2. Forts.,
Wien 1817, S. 89–102.)
56 Vgl. Forster, Handlungsspielräume, 2007, S. 104; sowie: JGS Nr. 591/1786 (Patent vom 1. Novem-
ber 1786), 3. Hauptstück, § 116, S. 102.
57 Lanzinger, Heiratskontrakte, 2010, S. 255.
58 Weniger wohlhabenden Frauen sollte durch derartige Stiftungen eine „bessere Partie“ ermöglicht
werden. (Vgl. Forster, Handlungsspielräume, 2007, S. 99.)
59 Forster, Handlungsspielräume, 2007, S. 114.
60 Vgl. Grundstückskauf Michael Pfurtscheller, 17. Mai 1805, TLA, VB Stubai, 34/237, Bl. 170–172.
61 Forster führt auch ein Beispiel aus dem bäuerlichen Milieu an, bei dem das Heiratsgeld beziehungs-
weise -gut 800 Gulden betrug. Summen in dieser Höhe waren also nicht gänzlich unüblich. (Vgl.
Forster, Handlungsspielräume, 2007, S. 114.) Auch Margareth Lanzinger hat in den Verfachbüchern
der ländlichen Gerichte Welsberg und Innichen Heiratsgut-Höchstwerte von 2000 beziehungsweise
1000 Gulden gefunden: „In beiden Gerichten ging die höchste Summe vom Vater an einen Sohn,
dessen Braut Inhaberin eines Hauses und/oder Betriebes war.“ Die Familien besitzender Bräute for-
derten also wohl ein höheres Heiratsgut vom einheiratenden Bräutigam. (Vgl. Lanzinger, Heirats-
kontrakte, 2010, S. 255.)
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435