Seite - 341 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 341 -
Text der Seite - 341 -
5.3. Michael Pfurtscheller als Familienvater 341
15,4 Prozent für Jungen und Mädchen gleichermaßen.126 Wenn von 17 über einen
Zeitraum von 18 Jahren lebend geborenen Kindern Michael Pfurtschellers also vier
vor Erreichen des ersten Lebensjahres verstarben – das entspricht einem Anteil von
rund 23,5 Prozent, der also deutlich über den von Günther angegebenen Werten
liegt – so lässt das in Anbetracht der genannten statistischen Probleme nicht zwangs-
läufig auf eine erhöhte Säuglingssterblichkeit im Hause Pfurtscheller schließen.127 So
gibt Susanne Rieser für Tirol in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Chance
für Neugeborene, den ersten Geburtstag zu erleben, mit eins zu vier an, was den be-
schriebenenVerhältnissen im Hause Pfurtscheller wiederum entspräche.128 Jedenfalls
sind die von Günther auf zwei verschiedene Arten für das Stubaital errechneten – lei-
der nur bedingt aussagekräftigen – Durchschnittswerte von 15 beziehungsweise 15,4
Prozent unter den niedrigsten aller von ihm verglichenen Gerichte der königlich-bay-
erischen Verwaltungseinheiten des Isar-, Inn-, Salzach- und Illerkreises.129
Wie Michael Pfurtscheller und seine Ehefrauen mit dem Tod ihrer Kinder umgin-
gen, lässt sich auf Grundlage der vorhandenen Quellen nicht beurteilen. Den Zeit-
genossen war wohl klar, dass bereits während der Schwangerschaft, besonders jedoch
bei der Geburt, sowohl für die Frau als auch für das Kind Lebensgefahr bestand.
Angesichts dessen sowie der erwähnt hohen Sterblichkeitsrate bei Kleinkindern liegt
die Vermutung nahe, dass stets mit der Möglichkeit des frühen Todes der Nachkom-
menschaft gerechnet wurde und dieser daher an Schrecken verlor. Dem widerspricht
126 Vgl. ebd., Tab. 35.
127 An der Sterblichkeitsrate änderte sich im Lauf der im Zusammenhang mit den Kindern Michael
Pfurtschellers relevanten Jahre wohl wenig: Zwar lässt die Darstellung Andreas Oberhofers, die in
Anlehnung an Günther die Säuglingssterblichkeit im Gericht Passeier 1811/12 mit 20 Prozent bei
Jungen und 18,6 Prozent bei Mädchen, unter Berufung auf Karl Greiters Auswertung von Matri-
kenbüchern für die Jahre 1785 bis 1791 in St. Leonhard im Passeier für Kinder beiderlei Geschlechts
jedoch mit 27,4 Prozent angibt, einen drastischen Rückgang der Säuglingssterblichkeit im Lauf der
Jahre vermuten – die von Günther durchgeführte alternative Berechnung, die die Geburten und
die Säuglingssterbefälle ein und desselben Jahres miteinander in Verbindung setzt, ergibt überhaupt
eine Säuglingssterblichkeitsrate von lediglich rund 14,2 Prozent für 1811/12. Die weiterführenden
Berechnungen Greiters weisen jedoch klar darauf hin, dass der Anteil der zwischen dem ersten und
zehnten Lebensjahr Verstorbenen an den gesamten Sterbefällen über die Jahre zwischen 1785 und
1923 nahezu unverändert blieb – auch wenn Greiter damit nicht dezidiert eine Säuglings-, sondern
eine Kindersterblichkeitsrate angibt. (Vgl. Oberhofer, „Andere“ Hofer, 2009, S. 153 f.; sowie: Gün-
ther, Südbayern, 1933, Tab. 35, 38 u. 43; sowie: Karl Greiter, Die Matrikenbücher der Pfarre St. Le-
onhard, in: Marktgemeinde St. Leonhard im Passeier (Hg.), St. Leonhard Passeier, Bd. 1: Geschichte
und Gegenwart, [St. Leonhard] 1993, S. 247–299, hier: S. 273–275.)
128 Vgl. Susanne E. Rieser, Sterben, Tod und Trauer. Mythen, Riten und Symbole im Tirol des 19. Jahr-
hunderts, Innsbruck 1991, S. 67 f.
129 Vgl. Günther, Südbayern, 1933, Tab. 34–37 u. 42–45.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435