Seite - 342 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 342 -
Text der Seite - 342 -
342 5. Familie Pfurtscheller
Anne-Charlott Trepp jedoch. Basierend auf ihrer Untersuchung von Quellen aus
dem Hamburger Bürgertum des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts kommt sie
zu dem Schluss, dass der Tod von Kindern bei den Vätern – und sicherlich auch bei
den Müttern – sehr wohl tiefe Betroffenheit und Trauer hervorrief. „Der Tod eines
Kindes rief eine Lebenskrise hervor“, so Trepp.130 Michael Pfurtscheller erlebte diesen
Schicksalsschlag ganze sechs-, Elisabeth Wolf fünf- und Anna Lener einmal.
Ob die Familie auch von Fehl- beziehungsweise Totgeburten betroffen war, ist
unklar. Die Matriken des Stubaitales wurden nicht auf derartige Fälle hin untersucht.
Für das Jahr 1830 gibt Birgit Bolognese-Leuchtenmüller jedenfalls eine Totgebore-
nenrate für Tirol von 0,39 Prozent an, wobei die Verlässlichkeit der zugrundeliegen-
den Daten nicht unbedingt gegeben sei. Geburtshelfer und Hebammen seien zwar
dazu angehalten gewesen, den zuständigen Seelsorgern Totgeburten zu melden, und
dieser sollte dann in den Geburtsmatriken eine eigene Rubrik für solche anlegen.
Unklar sei jedoch, ob dies auch immer so geschah.131 Ob nun Michael Pfurtscheller
und seine zwei Ehefrauen, Anna Lener und Elisabeth Wolf, von Früh-, Fehl- oder
Totgeburten betroffen waren, lässt sich nicht feststellen. Die von den Ausführungen
Andreas Oberhofers angeregte Untersuchung der Geburtenabstände der Pfurtschel-
ler-Kinder lässt jedenfalls nicht auf derartig geendete Schwangerschaften schließen.
Die Abstände zwischen den Geburten bewegten sich bei seinen beiden Ehefrauen,
Anna Lener und Elisabeth Wolf, zwischen 12 und 26 Monaten, der Durchschnitts-
wert betrug rund 17,9 Monate. Das ist deutlich weniger als der von Oberhofer als
üblich angegebene Wert von zirka zwei Jahren.132
Michael Pfurtschellers Ehe mit Elisabeth Wolf fällt auch hinsichtlich der hohen
Kinderzahl auf – wohl lediglich aufgrund des frühen Todes von Anna Lener waren
130 Anne-Charlott Trepp, Männerwelten privat: Vaterschaft im späten 18. und beginnenden 19. Jahr-
hundert, in: Männergeschichte – Geschlechtergeschichte. Männlichkeit im Wandel der Moderne,
hg. v. Thomas Kühne, Frankfurt a. M.–New York 1996, S. 31–50, hier: S. 37.
131 Vgl. Birgit Bolognese-Leuchtenmüller, Bevölkerungsentwicklung und Berufsstruktur, Gesundheits-
und Fürsorgewesen in Österreich 1750–1918, Wien 1978, Teil I, S. 86 f., Teil II, S. 126, Tab. 44.
132 Vgl. Oberhofer, „Andere“ Hofer, 2009, S. 152; sowie: Taufbuch Fulpmes I, II u. III, TLA, Mikrofilm
Nr. 0660, Abschn. 3–5. – Angeregt von den Ausführungen Anne-Charlott Trepps, die Konflikte zwi-
schen Mann und Frau hinsichtlich männlicher sexueller Erwartungen während der Stillzeit – in der
Geschlechtsverkehr tabuisiert gewesen sei – aufzeigen, würden sich die eben genannten Zahlen als
Grundlage für weiterführende Interpretationen in dieser Richtung anbieten. Die Quellenlage lässt
jedoch keine den Ausführungen Trepps entsprechenden Schlüsse zu. (Vgl. Trepp, Vaterschaft, 1996,
S. 35 f.) Ob und wie lange gestillt wurde, ist nicht zu ermitteln. Falls gestillt wurde, und das über
mehr als drei beziehungsweise vier Monate hinweg, so ließen sich die Ehepaare Pfurtscheller-Lener
und Pfurtscheller-Wolf dadurch offensichtlich nicht davon abhalten, dennoch Geschlechtsverkehr
zu haben.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435