Seite - 353 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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5.3. Michael Pfurtscheller als Familienvater 353
Bereits Mitte 1815 hatte Kaiser Franz die Aufstellung eines 5000 Mann starken
Jägerregiments verfügt, das sich – die Offiziersränge ausgenommen – ausschließlich
aus Tirolern und Vorarlbergern zusammensetzen sollte. Zunächst wurde versucht, die
Truppe durch Anwerbung von Freiwilligen aufzubringen, wobei jede Gemeinde ein
gewisses Kontingent zu stellen hatte. Nur falls dieses nicht durch Freiwilligenwer-
bung zustande gebracht würde, war auf Zwangsrekrutierungen zurückzugreifen. Nun
gab es zwar genügend Freiwillige, doch war die Disziplin der Männer, die sich, durch
die Zahlung eines „Handgeldes“ von den Gemeinden gelockt, verpflichten ließen,
offenbar wenig zufriedenstellend.182 Nicht zuletzt aus diesem Grund ging man im
Herbst 1819 dazu über, das Los darüber entscheiden zu lassen, wer zum Militärdienst
eingezogen werden sollte.183 Der Ablauf der Auslosungen wurde in einer „Instruc-
tion für die gegenwärtige Complettierung des Jäger-Regimentes in Beziehung auf die
Stellung durch das Loos“ festgelegt: Grundsätzlich war jeder männliche Tiroler und
Vorarlberger zwischen 18 und 28 Jahren militärpflichtig, wobei es eine lange Liste
von Befreiungsgründen gab. Priester, Beamte, Lehrer, Doktoren der Rechte, Rechts-
praktikanten, Advokaten und Notare, Ärzte und Chirurgen, Künstler, Großhändler
sowie verheiratete oder verwitwete Väter von mehr als zwei Kindern waren gänzlich
vom Militärdienst freigestellt, für viele andere galt eine temporäre Befreiung.184
Grundlage des Auslosungsverfahrens war die auf der Zahl der insgesamt erforderli-
chen Mannschaft fußende Berechnung, wie viele Rekruten jedes Gericht beziehungs-
weise jeder Losungsdistrikt zu stellen hatte.185 Der Losungsvorgang selbst war „von
dem Gerichtsvorstande in Begleitung eines Aktuars, und mit Beiziehung der Gemein-
de-Vorsteher und dreier Familienväter, die selbst pflichtige zum Loosen bestimmte
Söhne haben, und von allgemein anerkannter Rechtlichkeit sind“, vorzunehmen.186 In
den Jahren 1834 bis 1842 kam dabei auf 1379 Tiroler im Schnitt ein Rekrut.187
182 Vgl. ebd.
183 Vgl. Oswald Gschließer, Zur Geschichte des stehenden Heeres in Tirol. II. Die Zeit 1813–1848, in:
Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum 34 (1954), S. 69–173, hier: S. 90.
184 Vgl. ebd., S. 91. – Aus dem 1828 vom Gubernium herausgegebenen „Amts-Unterricht zur Ergän-
zung des Kaiser-Jäger-Regiments für die politischen Behörden“ ist ersichtlich, dass die einzelnen
Bestimmungen zur Ergänzung der Truppe im Laufe der Jahre häufig abgeändert und näher präzisiert
wurden. (Vgl. „Amts-Unterricht zur Ergänzung des Kaiser-Jäger-Regiments für die politischen Be-
hörden“, 1828, TLA-Bib., Sign. 3958.)
185 Jeder Losungsdistrikt sollte laut „Amts-Unterricht zur Ergänzung des Kaiser-Jäger-Regiments für
die politischen Behörden“ eine Bevölkerungszahl von mindestens 2000 bis 3000 haben. (Vgl.
„Amts-Unterricht zur Ergänzung des Kaiser-Jäger-Regiments für die politischen Behörden“, 1828,
TLA-Bib., Sign. 3958, § 8, S. 14.)
186 Vgl. ebd., § 15, S. 20.
187 Vgl. Gschließer, Geschichte des stehenden Heeres, 1954, S. 112 f.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435