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5.3. Michael Pfurtscheller als Familienvater 355
des Kaiser-Jäger-Regiments für die politischen Behörden“ wird das anschaulich –
derartige „Lücken“ durch Abänderung der Rekrutierungsvorschriften nach und nach
geschlossen.192
Es gab jedoch auch einen legalen Weg, sich dem Militärdienst zu entziehen: die
Stellung eines „Einstandsmannes“, der stellvertretend die achtjährige Dienstzeit sei-
nes Auftraggebers ableistete. Diese Möglichkeit wurde auch ausgiebig genutzt. Im
Jahr 1836 etwa, als Tirol und Vorarlberg insgesamt 562 Rekruten aufzubringen hat-
ten, wurden nicht weniger als 119 Einstandsmänner gestellt, so Oswald Gschlie-
ßer.193 Und das, obwohl diese Alternative mit hohen Kosten verbunden war. Nicht
selten hätten Einstandsmänner über 1000 Gulden verlangt, so zitiert Gschließer ei-
nen Bericht aus dem Jahr 1821.194
Ganz so viel verlangten Heinrich Jonak Ritter von Freienwald und Anton Leiler195
nicht. Die beiden hatten sich, nachdem ihnen das Militärkommando Tirols und das
Landesgubernium die diesbezügliche Eignung bescheinigt hatten, als Einstandsmän-
ner für Franz und Johann Pfurtscheller angeboten. Ersterer hatte eine Zahlung von
850 Gulden Reichswährung ausgehandelt, Leiler 700, wobei die Einstandsmänner
das Geld erst nach dem Ende der von ihnen übernommenen Dienstzeit ausbezahlt
bekamen. Bis dahin wurde das Geld zinsbringend veranlagt. Im Fall der Pfurtschel-
ler-Brüder übernahm deren Vater Michael die Zahlungen an die Einstandsmänner.
Im gesetzlich vorgesehenen „Einstandskontrakt“, der vor der jeweils zuständigen Be-
hörde – in diesem Fall vor dem Landgericht in Mieders – abzuschließen war,196 sind
die Zahlungsmodalitäten festgehalten. Michael Pfurtscheller zahlte jedem der beiden
Einstandsmänner vorab jeweils 50 Gulden „bar auf die Hand“, die Restbeträge von
800 beziehungsweise 650 Gulden sollten – ebenfalls in bar – bei der „k.k. Kriegs-
kasse“ in Innsbruck deponiert und zinsbringend veranlagt werden.197 Die anfallenden
192 Vgl. „Amts-Unterricht zur Ergänzung des Kaiser-Jäger-Regiments für die politischen Behörden“,
1828, TLA-Bib., Sign. 3958.
193 Vgl. Gschließer, Geschichte des stehenden Heeres, 1954, S. 115.
194 Vgl. ebd., S. 96 f.
195 Da der Ersatzmann ein „eingeborner oder nationalisierter Tiroler oder Vorarlberger“ zu sein hatte,
war dieser Anton Leiler per Gubernialdekret „nationalisiert“ worden. (Vgl. „Amts-Unterricht zur
Ergänzung des Kaiser-Jäger-Regiments für die politischen Behörden“, 1828, TLA-Bib., Sign. 3958,
S. 43; sowie: Assentierungskommission an KA Schwaz, 12. Dezember 1839, TLA, Aktenserie KA
Schwaz, Fasz. 437, Abt. Komplettierungsakten 1839, LG Mieders.)
196 Vgl. „Amts-Unterricht zur Ergänzung des Kaiser-Jäger-Regiments für die politischen Behörden“,
1828, TLA-Bib., Sign. 3958, § 26, S. 45.
197 Im Einstandsvertrag zwischen Johann Pfurtscheller und Johann Leiler wird der „allgemeine Staats-
schulden-Tilgungsfond“ als Veranlagung für das Einstandsgeld angegeben. Zu den Einnahmen
dieses 1817 eingerichteten Fonds zählten unter anderem auch „Interessen von zeitweiligen Depo-
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435