Seite - 360 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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360 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
gebogen über das Stubaital beantwortet, stellt er – im Jahr 1807 – die Situation der
Stubaier Landwirtschaft allerdings weit positiver dar. Er berichtet von Viehverkäufen
ins Passeier und wöchentlichen Schlachtvieh- und Eierlieferungen nach Innsbruck.
Vor allem Frauen aus Neustift würden mit Eiern, Hühnern, Kitzen oder Lämmern
wöchentlich einmal nach Innsbruck gehen, um dann mit Brot wieder heimzukehren.
Die Existenz dieser „Brot Trägerinnen“ sei dem Umstand geschuldet, dass es im Stu-
baital keine „brauchbare Bäckerei“ gebe, so von Stolz.4 Prinzipiell sei die Viehhaltung
– den Eigenbedarf ausgenommen – nicht auf Milch-, sondern auf Fleischproduktion
spezialisiert. Kälber würden auf den Viehmärkten in Telfs, Zirl, Stams und Imst ge-
kauft, dann drei bis vier Jahre lang gehalten und schließlich – hauptsächlich auf den
Märkten in Steinach und Matrei – an zumeist aus dem Sarn- oder Passeiertal stam-
mende Viehhändler weiterverkauft. Lämmer würden meist aus dem Ötztal gekauft,
einen Sommer lang auf den Almen gehalten und dann im Herbst geschlachtet.5 Von
Stolz spricht in diesem Zusammenhang von ungefähr 1500 Tieren. Auch die Schwei-
nemast spiele – hauptsächlich wiederum in Neustift – eine gewisse Rolle, sowohl für
den Eigenbedarf als auch für den Markt. Eine weitere Einnahmequelle biete für die
Neustifter Bauern außerdem der Brennertransit. Sie würden ihren Heuüberschuss
an Wirte an der Brennerstraße – hauptsächlich an den im Zusammenhang mit den
Ereignissen des Jahres 1809 bereits genannten Schupfenwirt – verkaufen. Die Markt-
orientierung der lokalen Landwirtschaft wird also auch aus den Ausführungen von
Stolz’ sehr deutlich.6 Er zeichnet zwar insgesamt ein positiveres Bild der Stubaier
Landwirtschaft als Volderauer und Pfurtscheller, schließlich betont jedoch auch er,
dass die Stubaier jährlich rund 2000 Star Getreide von auswärts zukaufen müssten.7
Neben dem nun skizzierten marktorientierten agrarischen Bereich waren es im
4 Vgl. Joseph von Stolz beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1807], Statistische Nachrichten vom
Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil A, Nr.
9 u. Teil B, Nr. 16.
5 Dazu passt auch ein Bericht Andreas Alois Dipaulis. Ihm sei 1814 auf seiner „kleinen Fußreise in die
Umgebung von Innsbruck“ ein junger Bauer aus dem Oberbergtal – ein Seitental des Stubaitales, das
beim Neustifter Ortsteil Milders nach Westen abzweigt – begegnet: „Er erzählte uns, wie er gar keine
Art von Ackerbau, nicht einmal ein Gärtchen habe, und nur von seinen Wiesen und Alpenweiden
lebe. Im Frühjahr versieht er sich mit Hornvieh; die verkauft er im Herbste nebst allen erzeugten
Heue; für sich behält er über den Winter nur ein paar Kühe.“ (Andreas Alois Dipauli, „Bemerkungen
auf einer kleinen Fußreise in die Umgebungen von Innsbruck, im J. 1814. Von Andr. Alois de Pauli,
k.k. Appellationsrath.“, TLMF-Bib., Dip. 692/IV, S. 19 f.)
6 Vgl. Joseph von Stolz beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1807], Statistische Nachrichten vom
Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil C, Nr.
23–25.
7 Vgl. ebd., Nr. 19.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435