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6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 379
Werkstätten die Produktion erfolgte, geht daraus nicht hervor. Klar wird das hin-
gegen bei den folgenden Produktionsstätten: Außer der „Eisen- und Stahlfabrik“ in
Fulpmes werden nämlich noch vier weitere „Fabriken“ im Stubaital gezählt. Es han-
delt sich dabei um Branntweinbrennereien in Neustift und Telfes, in denen insgesamt
vier „Arbeiter“ – einer in jeder „Fabrik“ – beschäftigt gewesen seien.77 Die für die
Metallwarenerzeugung wohl passende Erklärung der Verwendung des Begriffes „Fa-
brik“ als Bezeichnung eines arbeitsteiligen, dezentralen Zusammenhangs von formal
selbstständigen Handwerkern ist auf diese vier Branntweinbrennereien mit jeweils
einem „Arbeiter“ natürlich nicht anwendbar. Hier zeigt sich eine gewisse Beliebig-
keit des für die Bearbeitung der Fragebögen verantwortlichen Landrichters Schieder
im Umgang mit dem Begriff „Fabrik“. Es hat den Anschein, als wären all diejeni-
gen Betriebsformen, die in keine der auf dem Formular zur Erhebung der „Künstler
und Handwerker“ vorgegebenen Rubriken passten, kurzerhand zu „Fabriken“ erklärt
worden.78 Das trifft eben wohl auch auf jene Produktions-, beziehungsweise Orga-
nisationsform zu, die sich für die Produktion in Fulpmes just in diesen Krisenjahren
nach der Jahrhundertwende – darauf wird noch ausführlicher eingegangen werden
– als die bestimmende herauskristallisierte: das Verlagssystem.79
Diese begrifflichen Unschärfen setzen sich in der Tabelle „Kaufleute und Krämer“
fort. Die Erhebungsbögen sehen eine Unterteilung des Handels in folgende Katego-
rien vor: „Speditions- und Kommissionshandel“, „Verkäufer oder Kaufleute en gros
renproduktion stand und dieser – wie in einigen Quellen zum Ausdruck kommt – zuarbeiteten (Vgl.
Kap. 6.3.1.), wurden allerdings sehr wohl in die Tabelle der Künstler und Handwerker aufgenom-
men und gingen nicht im Überbegriff „Fabrik“ auf. Exemplarisch sei hier auf die verglichen mit den
übrigen Landgerichten des Innkreises sehr hohe Zahl von zehn Drehern und Drechslern verwiesen,
die – wie Michael Pfurtscheller im Mai 1812 erklärt – in der Fertigung von Griffen für von den
Schmieden produzierte Messer und Werkzeuge eine ihrer Hauptbeschäftigungen fänden. (Vgl. Kap.
6.3.1.; sowie besonders: Michael Pfurtscheller beantwortet Fragen zu Produktion und Handel, 4.
Mai 1812, TLMF, Hist. Samml., Schachtel „Zünfte – Schmiede im Stubaital“, Nr. 13 u. 14.)
77 Vgl. Manufakturen und Fabriken Stubai, 13. Februar 1813, cgm 6851(21 (Manufakturen und Fab-
riken), TLA, Mikrofilm Nr. 1869, Abschn. 4, Bl. 84 v.
78 Vgl. ebd.; sowie: Künstler und Handwerker Stubai, 13. Februar 1813, cgm 6852(21 (Künstler und
Handwerker), TLA, Mikrofilm Nr. 1870, Abschn. 1, Bl. 66a v–69a r. – Eine ähnliche „Strategie“
ortet Stefan Gorißen hinsichtlich der Verwendung des Begriffes „Fabrik“ im 17. und 18. Jahrhun-
dert: „Ein wesentliches Anliegen er Begriffsbildung […] war es, ein neues Produktionssystem in Ab-
setzung vom herkömmlichen, ständisch gebundenen Stadt- und Landhandwerk zu kennzeichnen.“
(Gorißen, Fabrik, 2006, Sp. 740 f.) Jörg Rode kommt diesbezüglich ebenfalls zu dem Schluss, dass
die Abgrenzungen zwischen „Manufakturen und Fabriken“ und „Künstlern und Handwerkern“ von
den einzelnen Bearbeitern oftmals willkürlich gezogen wurden. (Vgl. Rode, Handel im Königreich
Bayern, 2001, S. 61.)
79 Vgl. Rode, Handel im Königreich Bayern, 2001, S. 62. – Auf die Entwicklung des Pfurtschel-
ler’schen Verlagssystems wird noch ausführlich eingegangen: Vgl. Kap. 6.3.4.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435