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384 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
Ganz ähnlich beschreibt auch Andreas Alois Dipauli die Situation in Fulpmes – in
den übrigen Talgemeinden gebe es lediglich drei bis vier weitere Meisterwerkstätten.
Als er mit seinem Sohn Anfang Oktober 1814 eine „Fußreise in die Umgebung von
Innsbruck“ unternahm, besichtigten die beiden – in Begleitung Michael Pfurtschel-
lers – auch die Schmiedewerkstätten in Fulpmes. Wie Pfurtscheller berichtet auch
Dipauli von auf die Erzeugung weniger Artikel spezialisierten Schmieden, die neben
ihrer Tätigkeit in der Metallwarenerzeugung allesamt auch kleine Landwirtschaften
unterhielten:
„Hr. Pfurtscheller hatte die Freundschaft, uns in einige Werkstätten herum zu führen. Da
kamen wir in Werkstätten, wo man nur Sägen, in andere, wo man nur durchlöcherte Kü-
chenkellen, u.s.w. machte; jeder Meister verfertigt nur eine gewisse Art, höchstens 2–3
Sorten von Waaren, obwohl keiner hierauf beschränkt ist, sondern jeder arbeiten kann, was
ihm gefällt. Man sieht da auch kleine Kinder schon beschäftigt, die die eisernen Löffel unter
den vom Wasser getriebenen Hammer halten, u.s.w.
[…] Jeder Schmiedemeister von Fulpmes ist zugleich Landbauer, und besitzt etwas Feld,
wenige aber besitzen so viel, daß sie sich davon nähren könnten.“98
Zur Erwirtschaftung des Lebensunterhalts seien die Menschen, vor allem in Fulp-
mes, wo der Mangel an brauchbaren landwirtschaftlichen Flächen am deutlichsten
zu spüren sei, auf einen Nebenerwerb angewiesen, so Dipauli weiter.99 Daraus lässt
sich wohl auf eine durchaus bescheidene finanzielle Lage der meisten der Fulpmer
Schmiede schließen. Die Arbeit in den Werkstätten diente wohl in der Regel der
unmittelbaren Existenzsicherung und warf über diese hinaus meist keinen nennens-
werten Gewinn ab. In diesem Zusammenhang berichtet Joseph von Stolz auch von
den Unterkünften der Schmiede, die „meistens nur schlecht eingerichtet“ gewesen
seien.100
gen“, Notizen u. Ä.“, Abt. „Pfurtscheller: Wirtschaftliche Situation d. Stubaitals (1822/1825)“, Nr.
11. – Da Pfurtscheller auf das vergangene Jahr 1810 eingeht und die „Fabricken Nürnberg, Augsburg
und Hindelang“ in weiterer Folge als inländische Mitbewerber betrachtet, ist wohl davon auszugehen,
dass diese Ausführungen noch in der Zeit der bayerischen Regierung in Tirol verfasst wurden – spä-
testens also Mitte 1814.
98 Andreas Alois Dipauli, „Bemerkungen auf einer kleinen Fußreise in die Umgebungen von Inns-
bruck, im J. 1814. Von Andr. Alois de Pauli, k.k. Appellationsrath.“, TLMF-Bib., Dip. 692/IV, S.
25 u. 28 f.
99 Vgl. ebd., S. 29.
100 Vgl. Joseph von Stolz beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1807], Statistische Nachrichten vom
Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil B, Nr.
13.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435