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386 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
Fabrikanten sind unvermögend, solche auf eigene Kosten bauen zu lassen. Sehenswürdig
ist einzig die von Wasser getriebene, und selbst erfundene Maschine des Kupferschmie-
demeisters zu Telfes Joseph Kremser, womit er mit Beyzug eines einzigen Lehrjunges in
Bearbeitung verschiedener Messing Waaren eben so viel des Tages auszurichten vermag,
als was er in seiner vorigen Werkstatt mit Beyhülfe zwoer Gesellen zu verfertigen nicht im
Stande war.“102
In den Quellen wird außerdem unterschieden zwischen „Real-“ und „Kommerzi-
alschmieden“. In die erste Kategorie fallen Werkstätten, in denen für den Eigen-
gebrauch gearbeitet wurde oder Reparaturen durchgeführt wurden sowie vor allem
Hufschmiede, die schwerpunktmäßig – wohl aufgrund der unmittelbaren Nähe
der Brennertransitroute – in Schönberg und Mieders ansässig waren und dort ihre
Dienstleistung anboten.103 „Kommerzialschmieden“ produzierten demgegenüber
ihre Fertigwaren für den Markt.
Dabei erfolgte die Erzeugung der „Eisengeschmeidwaren“ der „Kommerzial-
schmiede“ durchaus arbeitsteilig. Auf die Frage „in wie viele Zweige und unter wel-
chen Bezeichnungen theilen sich die Eisen, und Geschmeidwarenfabrikanten im
Thale Stubay?“ antwortete Pfurtscheller am 4. Mai 1812 mit einer Auflistung von
nicht weniger als 14 verschiedenen Berufsbezeichnungen: Schlosser, Messerschmiede,
Scheiden- und Futteralmacher, Rothschmiede – sie erzeugen Küchengeräte aus Kup-
fer oder Messing –, Hammerschmiede, Sägenschmiede, Schneidwarenschmiede – sie
erzeugen Werkzeuge für Drechsler, Schreiner und Wagner –, Zollstabmacher, Löf-
felmacher, Scherenschmiede, Bügeleisenmacher, Striegelschmiede, Zirkelschmiede –
diese würden auf Nachfrage auch chirurgische Instrumente fertigen –, und Drechsler,
die Griffe für Messer und andere Werkzeuge produzieren.104
Vom 26. Dezember 1815 datiert ein von Pfurtscheller zusammengestelltes „Ver-
zeichnis der Comerzialschmiede, mit bemerckung ihrer Fabrizierenden Waaren-
gattungen, nebst anfügung ihrer Marcke oder Unterscheidungszeichen“, aus dem
sowohl die hohe Zahl von 91 Kommerzialschmiedemeistern als auch die beträchtli-
102 Joseph von Stolz beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1807], Statistische Nachrichten vom
Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil B, Nr.
14.
103 Vgl. Verzeichnis der „Schmidten, Schleif und Polliermihlen Gerechtsame“, o. D., TLMF, Hist.
Samml., Schachtel „Zünfte – Schmiede im Stubaital“, Nr. 23. – An das Wirtshaus des bereits
mehrfach erwähnten Elias Domanig in Schönberg war, so berichtet Pfurtscheller, eine eigene Huf-
schmiede angeschlossen.
104 Vgl. Michael Pfurtscheller beantwortet Fragen zu Produktion und Handel, 4. Mai 1812, TLMF,
Hist. Samml., Schachtel „Zünfte – Schmiede im Stubaital“, Nr. 13 u. 14.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435