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392 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
oder Lehrjungen, welche einen bestimmten Lohn erhielten, zugleich aber auch die Hoff-
nung hatten, nach erworbener hinlänglicher Geschicklichkeit und erprobter Treue gegen
eine Geldeinlage in die Gesellschaft als Kameraden aufgenommen zu werden. Die Einlage
der Kameraden schwankte zwischen 500 und 4000 Gulden und auch darüber.“118
Schriftliche Vereinbarungen zwischen den Teilhabern seien dabei – besonders in der
Anfangszeit – eher selten gewesen, berichtet Kofler weiter.119 Joseph von Stolz be-
richtet noch 1807 davon, dass seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wohl
üblich geworden war, schriftliche Vereinbarungen zu unterzeichnen, lediglich eine
Handelskompanie habe ihre Satzungen jedoch auch gerichtlich protokollieren lassen
– darin liegt schließlich auch die angedeutete Schwierigkeit begründet, die Organisa-
tionsformen der Handelskompanien eingehender auf der Grundlage zeitgenössischer
Quellen zu betrachten –, nachdem ein Rechtsstreit über alle drei Instanzen ausgetra-
gen hatte werden müssen. Besonders bei Todesfällen von „Kameraden“ sei es in der
Vergangenheit immer wieder zu derartigen Streitigkeiten gekommen, so von Stolz.120
118 A. Kofler, Industrie und Handel, 1891, S. 699. – Diese Informationen finden sich bereits im 1816
erschienenen Werk Josef von Hörmanns, „Tirol unter der baierischen Regierung“. (Vgl. [Hörmann],
Tirol, 1816, S. 347 f.)
119 Vgl. A. Kofler, Industrie und Handel, 1891, S. 699; sowie: Johann von Anreiter beantwortet Fragen
zum Stubaital, o. D. [1808], Statistische Nachrichten vom Thale Stubay, zusammengestellt von
Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil E, Nr. 6. – Ein Eintrag aus dem Gerichts-
protokoll des Gerichts Stubai aus dem Jahr 1737 stellt diesbezüglich wohl ein Gegenbeispiel dar:
Ein Blasius Pfurtscheller aus der Neder – ob es sich dabei um den Großvater Michael Pfurtschellers
handelte, ist nicht dezidiert feststellbar – hatte sich offenbar vertraglich für drei Jahre als Knecht
bei der Handelskompanie Ranalter verpflichtet. Um bereits nach einem Jahr wieder aussteigen zu
können, bezahlte er der Kompanie eine Entschädigung in der Höhe von 12 Gulden und übernahm
die anfallenden Gerichtskosten. (Vgl. Vertragsausstieg Blasius Pfurtscheller, 20. August 1737, TLA,
VB Stubai, 34/156, Bl. 203 v.)
120 Vgl. Joseph von Stolz beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1807], Statistische Nachrichten
vom Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil
C, Nr. 10 u. 11. – Vgl. auch: A. Kofler, Industrie und Handel, 1891, S. 699. – Die Darstellungen
Johann von Anreiters, die fast zeitgleich mit denen Joseph von Stolz’ verfasst wurden, widersprechen
in diesem Punkt. Es sei trotz der selbstverschuldeten Rechtsunsicherheit innerhalb der Handels-
kompanien kaum je zu Streitigkeiten gekommen: „[Es] ergab sich bis jetzt doch selten der Fall, daß
darüber Streitigkeiten, oder gar Prozesse erwuchsen.“ (Vgl. Johann von Anreiter beantwortet Fragen
zum Stubaital, o. D. [1808], Statistische Nachrichten vom Thale Stubay, zusammengestellt von
Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil E, Nr. 6.) – Den Ausführungen von Stolz’,
der zuvor mehrere Jahre lang das Amt des Hofrichters im Gericht Stubai innegehabt und auch seinen
Wohnsitz in Schönberg gehabt hatte, wird hier gegenüber denen von Anreiters, der erst seit kurzem
als exponierter Aktuar des Landgerichts Innsbruck für das Stubaital zuständig war, der Vorrang ein-
geräumt. (Vgl. Kap. 3.3.3.2.)
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435