Seite - 393 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 393
„Diese Gesellschaften haben bestimmte Niederlagen, und ofne Läden in den großen Städ-
ten des Landes, welche sie zu ihrem Verkehr wählten. Von diesen Orten aus besuchen sie
dann die Jahrmärkte im Lande herum.“121
So beschreibt Landgerichtsassessor von Anreiter im Jahr 1808 das Modell der Stu-
baier Handelskompanien. Die von ihm angesprochenen Warenniederlagen oder Fi-
lialen wurden von Mitgliedern der jeweiligen Kompanie abwechselnd betreut. Das
Angebot der Kompanien umfasste dabei neben den Stubaier Erzeugnissen zumeist
auch bei auswärtigen Produzenten eingekaufte Waren.122 Im Stubaital besaßen die
Mitglieder der Handelskompanien, wie auch schon zu den Schmiedemeistern be-
merkt, zumeist landwirtschaftliche Güter:
„Daß Jahr wenigst einmal kehren sie dann in ihre Heimath zu ihren Familien zurük, und
geniesen daher nur durch einige Wochen das Glük, in dem Zirkel der ihrigen zu seyn. Die
Weiber ordnen in Abwesenheit der Männer alle häusliche Geschäfte, und leiten auch meis-
tens den Akerbau.“123
Von Stolz spricht daher in diesem Zusammenhang von „temporellen Auswanderun-
gen“.124 Etwa 250 Stubaier würden auf diese Art und Weise jährlich in Handelsan-
gelegenheiten ins Ausland reisen und meist rund ein halbes Jahr dort verbringen,
schätzt er. „Einige Lehrjungen, oder Knechte bleiben auch 2, 3, 4 oder 5 Jahre in den
Etablissements“, so von Stolz weiter.125
121 Johann von Anreiter beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1808], Statistische Nachrichten vom
Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil E, Nr.
6.
122 Vgl. A. Kofler, Industrie und Handel, 1891, S. 698–702.
123 Johann von Anreiter beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1808], Statistische Nachrichten vom
Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil E, Nr.
6. – In ähnlicher Art und Weise äußert sich auch Anton Kofler: „Die auswärts etablirten Händler
besaßen zumeist in Stubei irgendwelchen Grundbesitz, welcher von der zurückgebliebenen Frau be-
arbeitet werden mußte. Der durch den Handel erzielte Gewinn wurde zur Verbesserung von Grund
und Boden, sowie zum Ankaufe neuer Grundstücke verwendet. Dadurch hatten sich diese Händler
mit der Zeit ein schönes Besitzthum erworben, auf welches sie sich später zurückziehen konnten,
um ihre alten Tage in froher Ruhe sorgenlos im Kreise ihrer Familie zu verbringen.“ (Vgl. A. Kofler,
Industrie und Handel, 1891, S. 702.)
124 Joseph von Stolz beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1807], Statistische Nachrichten vom
Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil A, Nr.
10. – Vgl. auch: „Antworth auf anfragen über Stubajy Handel und Fabrikazion“, o. D., TLMF, Hist.
Samml., Schachtel „Zünfte – Schmiede im Stubaital“, Nr. 4, Antwort l.
125 Joseph von Stolz beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1807], Statistische Nachrichten vom
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435