Seite - 399 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 399
Das Verlagssystem, laut Hans-Ulrich Wehlers „Deutscher Gesellschaftsgeschichte“
„eine spezifische gewerbliche Organisationsform, die frühzeitig Massenproduktion
erlaubte und die Entfaltung des Handelskapitalismus beförderte“,143 lässt sich in aller
Kürze folgendermaßen charakterisieren:
„Der Verlag wurde durch einen dezentralisierten Betrieb unter der Leitung eines Unterneh-
mers (oder eines Gesellschaftsgremiums) gebildet, der außerhalb seiner eigenen Betriebs-
stätte eine rechtlich nicht festgelegte, nur nach ökonomischen Bedürfnissen angeworbene
Zahl von Arbeitskräften in ihren eigenen Wohnungen beschäftigte.“144
Besonders verbreitet war das Verlagssystem im Textilgewerbe, in dem schon seit dem
späten Mittelalter vielfach auf Heimarbeit gesetzt wurde. Im Zusammenhang mit
Michael Pfurtscheller als Verleger für die Metallwarenproduktion handelte es sich
allerdings weniger um „Heimarbeit“, vielmehr produzierten die Schmiede in ihren
eigenen Werkstätten für Pfurtscheller als Verleger mit „Ankaufmonopol“. Kennzeich-
nend am Verlagssystem war laut Wehler, dass der Verleger sowohl die Produktion
kontrollierte – also bestimmte, was produziert wurde, indem er aufgrund seiner
Markteinschätzung Waren bei den Produzenten bestellte – als auch den Absatz der
Produkte in Alleinregie übernahm. Der dem Verlagssystem angeschlossene Produzent
verlor dadurch – darauf wird noch gesondert eigegangen werden – „die Autono-
mie über sein Endprodukt“, so Wehler.145 Für den „verlegten Kleinproduzenten“146
bedeutete dies einen Schritt in Richtung Lohnarbeit. Im Stubaier Zusammenhang
arbeiteten die betroffenen Produzenten also nicht länger als selbstständige Schmiede-
meister, sondern gewissermaßen als „Angestellte“ Michael Pfurtschellers.
Die Eigenschaft Michael Pfurtschellers als „Verleger“ beschreibt jedoch lediglich
ein Spezifikum, welches das Handelshaus von den übrigen, oben beschriebenen Han-
vom Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil
E, Nr. 6. – Weitere Beispiele hierfür sind unter anderem: Joseph von Stolz beantwortet Fragen zum
Stubaital, o. D. [1807], Statistische Nachrichten vom Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas
Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil C, Nr. 28; sowie: Andreas Alois Dipauli, „Bemerkun-
gen auf einer kleinen Fußreise in die Umgebungen von Innsbruck, im J. 1814. Von Andr. Alois de
Pauli, k.k. Appellationsrath.“, TLMF-Bib., Dip. 692/IV, S. 23; sowie: Kauf Michael Pfurtscheller,
24. August 1802, TLA, VB Stubai, 34/232, Bl. 336 f.; sowie: Kaiserlich Königlich privilegirter Bothe
von und für Tirol und Vorarlberg, Nr. 67, 20. August 1838, S. 265 f.
143 Vgl. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1: Vom Feudalismus des Alten Rei-
ches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700–1815, München 1987, S. 95.
144 Ebd.
145 Ebd.
146 Ebd.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435