Seite - 404 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 404 -
Text der Seite - 404 -
404 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
Dabei lassen die diversen Schuldeingeständnisse nur bedingt auf eine „Zugehörig-
keit“ der betroffenen Schmiede zum Pfurtscheller’schen Verlagssystem schließen. In
keinem Protokolleintrag ist dezidiert von einem solchen Verhältnis zwischen Schuld-
ner und Gläubiger die Rede. Lediglich sehr wenige Schuldeingeständnisse stellen
von den Kreditvergaben Pfurtschellers einen direkten Zusammenhang zu etwaigen
Warenlieferungen des Schuldners an ihn her: Der Fulpmer Schmiedemeister Joseph
Oberacher etwa vereinbarte 1817 anstatt der üblichen Rückzahlung seiner Schulden
in Höhe von 150 Gulden mit Pfurtscheller, zur Tilgung jährlich „anständige“ Waren
im Wert von 25 Gulden zu liefern.163 Zweifellos war jedoch auch abgesehen von
derartigen Einzelfällen eine beträchtliche Zahl der Metallwarenproduzenten in dem
Maße finanziell von Michael Pfurtscheller abhängig, dass dieser wohl durchaus in der
Lage war, Einfluss auf Faktoren wie Produktionsprozess, Preisgestaltung oder Verkauf
zu nehmen. Seine stillliegenden, jährlich zu verzinsenden Guthaben bei den einzel-
nen Schuldnern wirkten dabei als Druckmittel. Einer Rückzahlungsforderung ihrer
Gläubiger – die meisten hatten auch noch weitere Verbindlichkeiten – vermochten
die wenigsten Schmiede nachzukommen, darauf weist eine ganze Reihe von Kon-
kursen und Zwangsversteigerungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hin.164
Dass Pfurtscheller seinen Einfluss auf die Produzenten auch im Sinne seines Verlags-
systems zu nutzen suchte, ist naheliegend.
Einen detaillierten Einblick in die Geschäftsbeziehungen des Verlegers Michael
163 Vgl. Schuldeingeständnis Joseph Oberacher, 7. November 1817, TLA, VB Stubai, 34/252, Regis-
terteil 2, Bl. 168. – Weitere Beispiele hierfür: Zeugnis für Stephan Reinisch, 22. November 1817,
TLA, VB Stubai, 34/254, Bl. 19–21; sowie: Schuldeingeständnis Johann Schmied, 18. März 1825,
TLA, VB Stubai, 34/273, Bl. 86; sowie: Schuldeingeständnis Joseph Grießer, 3. März 1828, TLA,
VB Stubai, 34/280, Bl. 102.
164 Nur einige Beispiele für Konkurse und Zwangsversteigerungen zwischen 1810 und 1840, bei denen
Michael Pfurtscheller zumeist als Gläubiger, jedoch auch als Bürge, Konkursmasseverwalter oder
Käufer beteiligt war: Konkursmasseversteigerung Ehepaar Kapferer, 4. Juli 1814, TLA, VB Stubai,
34/247, Bl. 188–190; sowie: Konkurs Michael Spötl, 18. Mai 1815, TLA, VB Stubai, 34/249, Bl.
173–174; sowie: Konkurs Georg Jenewein, 1. Mai 1818, TLA, VB Stubai, 34/256, Bl. 260; sowie:
Konkursmasseversteigerung Paul Saxer, 23. Dezember 1818, TLA, VB Stubai, 34/256, Bl. 454–457;
sowie: Konkursmasseversteigerung Georg Schmied, 1. u. 7. Juni 1819, TLA, VB Stubai, 34/258,
Beilage zw. Bl. 178 u. 179; sowie: Konkurs Joseph Harrer, 23. Dezember 1823, TLA, VB Stu-
bai, 34/268, Bl. 304; sowie: Konkursmasseversteigerung Stefan Reinisch, 4. Januar 1826, TLA, VB
Stubai, 34/275, Bl. 89; sowie: Konkursmasseversteigerung Simon Vergörer, 2. Januar 1830, TLA,
VB Stubai, 34/286, Bl. 6; sowie: Konkursmasseversteigerung Johann Siller, 27. November 1830,
TLA, VB Stubai, 34/286, Bl. 318–319; sowie: Konkursmasseversteigerung Anton Greier, 13. Feb-
ruar 1833, TLA, VB Stubai, 34/295, Bl. 85; sowie: Konkursmasseversteigerung Georg Holzmeister,
28. März 1834, TLA, VB Stubai, 34/298, Bl. 229–233; sowie: Konkursmasseversteigerung Joseph
Grießer, 27. Januar 1842, TLA, VB Stubai, 34/314, Bl. 64.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435