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6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 407
bene Aussage des Stubaier Landrichters, aufgrund der wachsenden Abhängigkeit vieler
Schmiede würde sich Fulpmes langsam zu einer Fabrik Pfurtschellers entwickeln, wurde
bereits mehrfach zitiert. Von den nachfolgenden Autoren wurde dies zwar durchgehend
wahrgenommen, zumeist konzentrierte man sich allerdings auf eine zweite Kompo-
nente der dominanten Stellung Pfurtschellers während dieser Phase: seine Rolle als ret-
tender Kreditgeber. Am deutlichsten fielen die Worte Adolf Huebers aus:
„Da die Schmiede das Eisen nicht mehr wie früher auf Credit bekamen, so unterstützte er
sie mit den nöthigen Urstoffen gegen spätere Abzahlung, häufig auch mit Lebensmitteln
und unverzinslichen Geldvorschüssen, so dass er oft große Summen ausstehen hatte, da-
durch aber manchem geschickten und redlichen Arbeiter den Unterhalt sicherte, der sonst
nicht hätte weiterarbeiten können. Ja in dieser Beziehung war er oft zu grossmüthig, wurde
auch mitunter missbraucht und rief dann wohl, wenn einer oder der andere seiner Schuld-
ner gar nie an das Zurückzahlen denken wollte, halb klagend halb scherzend aus: ‚Gottes
Allmacht und Fulpmer Schulden bleiben ewig!‘“173
Doch auch abseits derart verklärender Worte wird klar, dass Pfurtscheller durch seine
Kreditvergaben, Rohmaterial- und Lebensmittellieferungen die Schmiede nicht nur
in eine Abhängigkeit führte, sondern diesen auch meist über Jahre das wirtschaftliche
Überleben sicherte. Vor diesem Hintergrund sah Landgerichtsassessor Johann von
Anreiter bereits im Jahr 1808 – wie weiter oben erwähnt – Verleger Michael Pfurt-
scheller als Retter in der herrschenden Wirtschaftkrise.174 Ohne Kreditgeber wie Mi-
173 Hueber, Michael Pfurtscheller, 1891, S. 32. – Aus den Schuldeingeständnissen in den landgerichtli-
chen Protokollen des Stubaitales geht klar hervor, dass Pfurtschellers Darlehen sehr wohl zumindest
formal verzinslich waren. Der Zinssatz betrug dabei in der Regel vier Prozent und war einmal jähr-
lich, zu Mariä Lichtmess – das ist der 2. Februar – fällig. (Vgl. zum Beispiel: Schuldeingeständnisse
Fulpmer Schmiede, 18. August 1813, TLA, VB Stubai, 34/246, Bl. 186–200.) Bei allzu säumigen
Schuldnern wusste sich Pfurtscheller auch durch rechtliche Druckmittel zu wehren. Die Schuldner
wurden dann gerichtlich vorgeladen, um sich zu erklären und um einen Zahlungsmodus zu ver-
einbaren, im äußersten Fall wurde auch gepfändet. (Vgl. Vorladungstermin Simon Vergörer, 27.
Oktober 1825, TLA, VB Stubai, 34/275, Bl. 288; sowie: Exekutionssache Sebastian Gleirscher, 20.
September 1827, TLA, VB Stubai, 34/278, Bl. 341.) Allerdings muss betont werden, dass es sich
dabei – den eingesehenen Quellen zufolge – wohl in der Tat um seltene Extremfälle handelte. Doch
auch die bereits erwähnten Konkurse und die damit verbundenen Zwangsversteigerungen, bei denen
Pfurtscheller häufig als Hauptgläubiger auftrat, sind ein deutliches Indiz dafür, dass Pfurtschellers
Geduld als Gläubiger nicht unbegrenzt war.
174 Vgl. Johann von Anreiter beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1808], Statistische Nachrichten
vom Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil E,
Nr. 6. – Von Anreiter liefert damit übrigens auch ein weiteres indirektes Indiz für die Bedeutung der
wirtschaftlichen Krisenzeit Anfang des 19. Jahrhunderts für den Aufstieg Pfurtschellers als Verleger.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435