Seite - 415 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 415 -
Text der Seite - 415 -
6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 415
Diesmal reichte er Klage gegen den Bierwirt ein, da dieser ohne Erlaubnis Wein
ausschenkte.202
Dass auch Michael Pfurtscheller in derartige Konflikte mit anderen Wirten im
Tal beziehungsweise mit der landgerichtlichen Obrigkeit verwickelt war, geht eben-
falls aus den Akten des Landgerichtes Mieders hervor. Am 20. Juni 1826 hatte die
Hofkanzlei in Wien den Bierwirten im Zuge einer „Schankerweiterung“ erlaubt, ab
sofort auch Wein auszuschenken – eine Möglichkeit, die von Pfurtscheller auch um-
gehend genutzt wurde. Außerdem leitete Pfurtscheller daraus auch zugleich das bis
dahin den Weinschenken vorbehaltene Recht ab, warme Speisen zu servieren:
„[…] so hat Unterzeichneter [Pfurtscheller], […] nach dem Herablangen, des Hohen Cir-
colaire über die Schankerweiterung ddo. Innsbruck 20ter Juni l. J.203 Wein und zugleich
warme Speisen an einheimische u. fremde Gäste zu ihrer Zufriedenheit verabfolget.“204
202 Vgl. Klage Thomas Salzburger gegen Peter Alt, 30. April 1835, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz.
43, 1835, Abt. IX.
203 Pfurtscheller nimmt hier wohl Bezug auf das „Circulare über die Erweiterung der Schankberech-
tigung. Nach Inhalt der hohen Hofkanzlei-Verordnungen vom 21. April und 6. Juni l. J. Zahlen
10651 und 16243 ist zu Folge a. h. Entschließung Sr. k.k. Majestät jenen, welchen das Recht eines
Schankes gesetzlich zusteht, zu gestatten, sowohl Wein als Bier auszuschenken, welches hiermit zur
allgemeinen Wissenschaft und Darnachachtung bekannt gemacht wird.“ (Vgl. Amtsblatt zum K.K.
priv. Bothen von und für Tirol und Vorarlberg, Nr. 27, 6. Juli 1826, S. 69.) – Pfurtscheller hatte die
„Gerechtsame, Wein auszuschenken“ also wohl nicht wie von Adolf Hueber angegeben, im Jahr
1827 „erworben“. (Vgl. Hueber, Michael Pfurtscheller, 1891, S. 35.) Wie die erwähnte Klage Tho-
mas Salzburgers gegen Bierwirt Peter Alt wegen unerlaubten Weinausschanks aus dem Jahr 1835
zeigt, waren die Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Stubaier Wirten mit der „Schankerweite-
rung“ von 1826 nicht vom Tisch. (Vgl. Klage Thomas Salzburger gegen Peter Alt, 30. April 1835,
TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 43, 1835, Abt. IX.) Das „alte Herkommen“ konkurrierte mit der
neuen Verordnung der Hofkanzlei. Besonders umstritten – das wird sich gleich auch noch im Fall
Michael Pfurtschellers zeigen – blieb die Frage nach dem Recht, warme Speisen zu servieren. Auch
noch, nachdem eine Verordnung der Hofkanzlei im Juli 1828 das „Auskochen warmer Speisen“
ausdrücklich allen erlaubt hatte, die eine Schankberechtigung besaßen, erleichterte der Verzicht auf
dieses Recht dem Miederer Jakob Pittl im August 1828 die Erlangung einer „Bierschanks Conces-
sion“. So hieß es seitens des Landgerichtes hinsichtlich seines Ansuchens um eine Konzession: „Diese
Bierschanks Concession muß dem Jacob Pittl um so mehr bewilliget werden, als eines Theiles […]
durch diese Verleihung die Zahl der früher bestandenen Bierschanks Concessionen nicht vermehret
wird; andern Theiles aber auch der Bittsteller der der altherkömmlich in Tyrol bestandenen Ob-
servanz widersprechenden Begünstigung hinsichtlich des Auskochens warmer Speisen ausdrüklich
entsagt hat.“ (Abschrift LG Mieders an Jakob Pittl, 12. August 1828, TLA, Aktenserie LG Mieders,
Fasz. 35, 1800–1827, „1828. Gewerb und Handwerk“; sowie: KA Schwaz an LG Mieders, 19. Juli
1828, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 35, 1800–1827, „1828. Gewerb und Handwerk“.)
204 Pfurtscheller an Landesgubernium, 30. Oktober 1826, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 35,
1800–1827 (loses, ungeordnetes Aktenmaterial ganz am Ende dieses Faszikels).
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435