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6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 421
Getränke in alle Enden dieses Thales der Menge bringen, so wie von Unbefugte Win-
kelschänke in den Ortschaften selbst“. Das Landgericht wird ersucht, diese „Sitten-
verderbnis“ zu unterbinden:224
„Nicht nur Unbesonnenes lockeres lediges Gesindel beiderlei Geschlechts besuchen der-
lei gefährliche Häuser – um ihren lezten Pfennig zu verschwelgen, sondern auch seßhafte
Nachbarn gehen in bemeldte Lockale – oder kauffen vorzugsweise von Hausierer und
Karrenfahrer ein. Es leichtet klar hervor, daß diese Leute nur heimlich unbemerket von
ihre Gläubiger u. Familien zu verschlemmen trachten, somit auf Christliche Sitten und
Finanzen Verderblich einwirken. Freylich haben erwähnte Karrenfahrer und Hausierer ei-
nen Vortheil zum Voraus; selbe schleichen mittels der Grünen und dürren Baumfrüchte,
welche diese aus dem Etschlande periodisch anherliefern – die Getränke zollfrei heraus,
können demnach die Maaß um einige Kreutzer wolfeiler stellen, als andere welche diese
Flüssigkeiten auf geraden Weg – nämlich gegen Entrichtung der Umgeld und Zollgebihren
an den Landesfürsten etc. beziehen und Aechte Waare zu Verkaufen beflissen sind. Zudeme
Massen sich alte und Neuangehende Spezereyhändler unbefugt an, Rosoli225 und allerley
Brandwein kleinweise zu verkaufen, was bishero in dieser Gegend nicht üblich war.“226
Bei einem nicht datierten Schriftstück in Pfurtschellers Nachlass dürfte es sich um
den Entwurf zu diesem Beschwerdeschreiben handeln. Hier wird noch ausführli-
cher begründet, warum ein Einschreiten der Obrigkeit notwendig sei. Sowohl die
Gesundheit der Bevölkerung – besonders jedoch jene der Jugend – als auch deren
Sittlichkeit seien in Gefahr, so heißt es hier. Unbefugte Leute würden da ein „oft mit
sehr ungesunden Gredenzien verfälschtes Gewäsch“ an leichtgläubige Leute verkau-
fen oder vertauschen, „wodurch junge oder sonst nach Getränke Lüsterne Individuen
beiderlei Geschlechts – nur Anlaß zum Entwenden – sodann zum Versplittern – kurz
zur Unwirthschaft Platz gegeben wird“. Es gebe auch „Winkelschenken“, in denen
weder auf die vorgeschriebene Polizeistunde noch auf Sittlichkeit geachtet werde,
teilweise werde sogar heimlich Tanzmusik gespielt, so Pfurtscheller:
„Einer Hausmutter – oder tochter wird von solchen schleichenden Gewerbsleuten allerley
Flüssiges angebothen, mit dem Beisatze darfst mir kein Geld zugeben ich kann dies u.
224 Vgl. Beschwerde „Gewerbspartheyen“, 4. Januar 1823, TLA, Aktenserie LG Matrei, Fasz. 2, 1823,
Abt. IV.
225 Hier dürfte der aus Früchten oder Blüten – meist Orangenblüten – zubereitete Rosolio-Likör ge-
meint sein. (Vgl. Heiss, Zentralraum, 2001, S. 25; sowie: Meyers großes Konversations-Lexikon, Bd.
17, Leipzig–Wien 19096, S. 158; sowie: Kap. 3.3.5.5.)
226 Beschwerde „Gewerbspartheyen“, 4. Januar 1823, TLA, Aktenserie LG Matrei, Fasz. 2, 1823, Abt. IV.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435