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426 7. Schlussbemerkungen
Historiographie immer wieder verwendet wird, wert, überdacht zu werden, sugge-
riert sie doch letztlich eine gewisse Abkoppelung von einer „großen“, der „eigentli-
chen“ Geschichte jenseits der Landesgrenzen.
Die angesprochene Verwobenheit konnte durch die Betrachtung einiger Stubaier
– vor allem natürlich Michael Pfurtschellers und seines nächsten Umfeldes – aus
großer Nähe sichtbar gemacht werden. Diese wiederum wurde durch die Auswertung
einer möglichst umfassenden Sammlung von Quellen zur und meist auch aus der
betreffenden Region und Zeit herzustellen versucht. Wesentlich war für den Umgang
mit diesen Quellen dann jeweils das Bestreben, deren Entstehungszusammenhänge
wiederum auf der Grundlage weiterer Quellen zu beleuchten. Hintergrund dieser
derart fortgesetzten „Überprüfung“ war es, die Quellensättigung – zumindest für
den gewählten, kleinen Untersuchungsgegenstand – dadurch zu maximieren, gewis-
sermaßen auf die Spitze zu treiben. Dabei zeigte sich, um wiederum auf den Beob-
achtungszeitraum Sattelzeit zurückzukommen, dass das für diese Jahre so charakte-
ristische Spannungsfeld zwischen altem Herkommen und Neuem – häufig in Form
neuer rechtlicher Bestimmungen – ein wesentlicher Bezugsrahmen für die Akteure
war. Hinweise auf die Berechtigung dieser bereits in der Einleitung angedeuteten
grundlegenden Annahme wurden in nahezu allen Abschnitten der vorliegenden Ar-
beit – etwa von der Schulzeit Pfurtschellers2 über seine Beteiligung am Aufstand
gegen die bayerischen Obrigkeiten im Jahr 18093 oder die Stubaier Wahlen zur
Frankfurter Nationalversammlung 18484, bis hin zu konzessionsrechtlichen Strei-
tigkeiten zwischen den Wirten im Tal5 – sichtbar. Durch die erwähnte große Nähe
ergaben sich Einblicke in die Verläufe der jeweiligen Aushandlungsprozesse, in denen
sich die konkrete Ausgestaltung innerhalb dieses Spannungsfeldes austarierte – sel-
ten in erhoffter Vollständigkeit, aber dennoch in einer aus anderer Perspektive nicht
möglichen Detailliertheit. Der radikale Gegensatz „Alt oder Neu“ erfährt durch diese
Einblicke in die Prozesshaftigkeit des erfolgten Wandels eine Relativierung. So zeig-
ten sich „die Stubaier“ etwa keineswegs reformunwillig hinsichtlich der Implemen-
tierung eines neuen Schulsystems. Die konkrete Umsetzung der neuen Regelungen
folgte jedoch schließlich einem Aushandlungsprozess vor Ort, in dem sich eben of-
fenbar die Sommerschule als nicht praktikabel erwiesen hatte.6 Die Motivations-
lagen einzelner Akteure innerhalb dieser Aushandlungsprozesse bleiben indes meist
im Dunkeln. Ob „man“ nun beispielsweise in Fulpmes davon überzeugt war, dass
2 Vgl. Kap. 2.
3 Vgl. Kap. 3.3.
4 Vgl. Kap. 3.5.1.2.
5 Vgl. Kap. 6.4.
6 Vgl. Kap. 2.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435