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7. Schlussbemerkungen 427
eine dreijährige Dienstzeit für das Amt des Gemeindevorstehers sinnvoller als eine
einjährige war und deshalb an diesem Modus festhielt oder ob es gar schlichtweg
an der Unkenntnis neuerer gesetzlicher Bestimmungen diesbezüglich lag,7 ließ sich
anhand der zur Verfügung stehenden Quellen nicht ermitteln.
Die Anknüpfungspunkte, die der überregionale Rahmen der Transformationspro-
zesse der Sattelzeit für derartige auf der Mikroebene gemachte Beobachtungen zu
bieten schien, erwiesen sich in mancher Hinsicht als trügerisch. Scheinbar kausale
Zusammenhänge, die aus der Fernsicht als offensichtlich erscheinen, konnten einer
Überprüfung aus großer, mikrohistorischer Nähe oftmals nicht standhalten. So er-
wiesen sich beispielsweise sowohl die Motive Michael Pfurtschellers als auch die „der
Stubaier“ für die Beteiligung am Aufstand gegen die bayerischen Obrigkeiten 1809
auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Quellen als kaum rekonstruierbar.8
Zwar ließ sich zweifellos eine ganze Reihe von Faktoren ausmachen, die offensichtlich
zu Unzufriedenheit mit der bayerischen Verwaltung führen konnten beziehungsweise
führten. Die nähere Beschäftigung mit den Stubaier Quellen zeigte jedoch auch,
dass das Verhältnis „der Stubaier“ zur bayerischen Obrigkeit ein durchaus ambivalen-
tes war. So wurde diese etwa einerseits sowohl als für die wirtschaftliche Krisenlage
verantwortliches Ärgernis als auch andererseits als Helfer in der (Hochwasser-) Not
betrachtet.9 Als weiteres Beispiel für vermeintlich offensichtliche Kausalzusam-
menhänge sei hier auch noch an die Entscheidung der sieben Stubaier Wahlmänner
für einen konservativen Kandidaten im Rahmen der Wahlen der Abgeordneten zur
Frankfurter Nationalversammlung 1848 erinnert: Bei näherem Hinsehen beruhte
diese nämlich offenbar nicht darauf, dass etwa gleich drei der Wahlmänner als Geist-
liche liberalen Positionen besonders skeptisch gegenüberstanden oder darauf, dass
das Stubaital eine stark traditionalistisch-bäuerlich geprägte Peripherieregion gewe-
sen wäre. Nein, der sogar von den kirchlichen Obrigkeiten zur Wahl empfohlene
liberale Kandidat hatte „die Stubaier“ offenbar im Vorfeld mit als despektierlich auf-
gefassten Äußerungen über diese gegen sich aufgebracht.10 Die eingangs erwähnte
Überprüfung trug hier – aber nicht nur hier – also Früchte. Doch welche Konsequen-
zen lassen sich daraus ableiten? Mit einigem Recht können derartige Beobachtungen
sicherlich oftmals als Einzelfälle betrachtet werden. Sie taugen nicht als Ausgangs-
punkt für Verallgemeinerungen. Um beim letztgenannten Beispiel zu bleiben: Aus
der Entscheidung der Stubaier war nicht auf das Verhalten der übrigen Wahlmänner
7 Vgl. Kap. 4.3.
8 Vgl. Kap. 3.3.3. u. 3.3.4.
9 Vgl. Kap. 3.
10 Vgl. Kap. 3.5.1.2.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435