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7. Schlussbemerkungen 429
Informationen bereitete jedoch nicht nur Schwierigkeiten hinsichtlich der narrativen
Ausgestaltung des Textes. Mehrfach war im Rahmen der vorliegenden Untersuchung
auch das Eingeständnis nötig, dezidierte Aussagen schlichtweg nicht treffen zu kön-
nen. Angesichts des an sich schon mit einer Reihe von theoretischen und methodi-
schen Problemen behafteten Unternehmens der Geschichtswissenschaft, historische
Personen oder gesellschaftliche Zustände zu rekonstruieren und diese Rekonstrukti-
onen dann – üblicherweise in Prosaform – wiederzugeben, ist das jedoch nicht als
epistemologische Bankrotterklärung zu interpretieren. Im Gegenteil, eine wichtige
Komponente des Gegenwartsbezuges und der Relevanz der vorliegenden Arbeit liegt
eben gerade nicht – um nur ein Beispiel zu nennen – in der vermeintlich einfach zu
bewerkstelligenden exakten Ermittlung der Zahl der Verluste der Stubaier im Rah-
men des Aufstandes 1809.11 Viel wesentlicher ist das Forschungsergebnis, dass sich
dazu und zu vielen anderen, komplexeren Fragen rund um dieses für die Selbstwahr-
nehmung vieler Tirolerinnen und Tiroler – und hier sind keineswegs ausschließlich
die Mitglieder von Traditionsverbänden und deren Sympathisanten gemeint – so
wesentliche Kapitel der Landesgeschichte keine eindeutigen Aussagen treffen lassen,
dass mit Blick auf die erwähnt mehrdeutige Quellensituation oft eine weniger ein-
dimensionale Sichtweise auf historisches Wissen nötig ist. Die vorliegende Untersu-
chung ist also keineswegs der Versuch, im Sinne von Leopold von Ranke zu „sagen,
wie es eigentlich gewesen“12. Vielmehr war das Bestreben, dem wohl nicht viel min-
der häufig zitierten Koselleck’schen „Vetorecht der Quellen“13 eine möglichst große
Chance einzuräumen. Selbst eine eindeutig erscheinende Quellenlage sollte – so eine
wesentliche Prämisse – nicht unhinterfragt als Beleg für Sachverhalte angesehen wer-
den. Das simple Fehlen von Quellen kann nicht zum unausgesprochenen Argument
avancieren.
Der Fokus in der vorliegenden Arbeit bleibt über einen Zeitraum von nahezu 80
Jahren auf die Person des Michael Pfurtscheller und dessen nächstes Umfeld gerichtet
– eine Perspektive, die mehrere Vorteile eröffnete:
Zum einen ließen sich Kontinuitäten und Entwicklungen – nicht nur der Per-
son und ihres Umfeldes selbst, sondern auch auf einer darüber liegenden, größeren
Ebene, in die diese eingebettet waren – anders und vielleicht sogar besser verdeutli-
11 Vgl. Kap. 3.3.
12 Vgl. Leopold Ranke, Geschichten der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis 1535,
Bd. I, Leipzig-Berlin 1824, S. VI.
13 Vgl. Reinhart Koselleck, Standortbindung und Zeitlichkeit. Ein Beitrag zur historiographischen
Erschließung der geschichtlichen Welt, in: Objektivität und Parteilichkeit in der Geschichtswissen-
schaft, hg. v. Reinhart Koselleck, Wolfgang J. Mommsen und Jörn Rüsen, München 1977, S. 17–46,
hier: S. 45.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435