Seite - 431 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 431 -
Text der Seite - 431 -
7. Schlussbemerkungen 431
trialisierung oder den Aufstieg des Bürgertums wie bereits erwähnt nicht typischen
Stubaital – den Blick auf Entwicklungen dieser Jahre zu, in denen sich einerseits der
Einfluss der Transformationsprozesse der Sattelzeit auf das Leben in der Region zeigt,
die andererseits aber auch regionale Veränderungen dokumentieren, die einen Teil
dessen verkörpern, was unter dem Begriff Sattelzeit zusammenfassend gedacht wird.
So waren es etwa diese Jahre zwischen den „Highlights“, in denen sich im Stubaital
eine drastische Veränderung des sozialen Gefüges ergab: Pfurtscheller schwang sich
zum Metallwarenverleger mit Monopolanspruch und zum wohl einflussreichsten
Mann in der Region auf – nicht zuletzt ermöglicht durch die fortschreitende In-
dustrialisierung in konkurrierenden Produktionszentren, die traditionell agierenden
Handelskompanien und Produzenten so große Schwierigkeiten bereitete, wodurch
Letztere schließlich in die Abhängigkeit von Michael Pfurtscheller als kapitalkräf-
tigem Verleger gerieten,17 der sich, im Sinne Stefan Gorißens, mehr und mehr zu
einem Unternehmer entwickelte.18 Oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, es war
auch in dieser Zeitspanne, als Pfurtscheller die angesichts der schon deutlichen Ab-
kehr von der ständischen Gesellschaftsordnung anachronistisch anmutende Erbhul-
digung für den neuen österreichischen Kaiser und Landesfürsten zur Inszenierung
seiner selbst und seiner Heimatregion nutzte.19
Und zuguterletzt schafft die angesprochene Akteurszentriertheit auch noch etwas
anderes: Sie ermöglicht einen Blick auf die Mehrschichtigkeit der Interaktionspro-
zesse zwischen den verschiedenen Protagonisten. Gerade auch vor dem Hintergrund
der in der Einleitung angeschnittenen Diskussion um den Protoindustrialisierungs-
begriff und der im Zusammenhang damit betonten großen Bedeutung der Figur des
Unternehmers beziehungsweise Verlegers20 erinnert die in dieser Arbeit gewählte
Perspektive auf die breit gefächerten sozialgeschichtlichen Fragestellungen an die an
sich banale Feststellung, dass Pfurtscheller eben nicht nur in seiner Funktion als
Verleger, Handelsmann oder Fabrikant mit seinem Umfeld interagierte, sondern die
Interaktionsmuster weit komplexere waren.
Hinsichtlich der bereits im Titel der vorliegenden Arbeit gestellten Frage danach
schließlich, ob Michael Pfurtscheller nun als Bürger unter Bauern zu betrachten sei,
ist wiederum von einer einfachen Antwort abzusehen. Michael Pfurtscheller sticht
– das hat sich klar gezeigt – in vielfacher Hinsicht aus seinem regionalen Umfeld
17 Vgl. Kap. 6.3.
18 Dieser Entwicklung lässt sich demzufolge vor allem am wachsenden (finanziellen) Engagement des
Verlegers beziehungsweise Handelsmanns in der Produktionssphäre festmachen. Vgl. Gorißen, Vom
Handelshaus zum Unternehmen, 2002, S. 32 f. u. 361–384.
19 Vgl. Kap. 3.4.
20 Vgl. Gorißen, Vom Handelshaus zum Unternehmen, 2002, S. 22.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435