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432 7. Schlussbemerkungen
hervor. Er war reicher, gebildeter und mobiler als nahezu alle anderen Talbewohner,
pflegte vielfältige Kontakte mit wohl eindeutig als Angehörige des (städtischen) Bür-
gertums anzusehenden Personen, orientierte sich an deren Lebenstil. Verschiedene
Äußerungen Pfurtschellers über „die Bauern“ lassen zudem darauf schließen, dass
er sich selbst nicht als solchen betrachtete. Wenn nun aber Michael Pfurtscheller
zum Bürger unter Bauern erklärt wird, soll damit keineswegs eine Geringschätzung
gegenüber den Bauern zum Ausdruck kommen. Es soll nicht der Eindruck erweckt
werden, Personen, die reich, gebildet, mobil und vernetzt waren, könnten keine Bau-
ern sein. Vor dem Hintergrund der bereits mehrfach angedeuteten gesellschaftlichen
Veränderungen der Sattelzeit, in deren Rahmen der vielzitierte „Aufstieg des Bürger-
tums“ einen wesentlichen Platz einnimmt, erschien es jedoch zweckmäßig, durch
die Einführung des Bürger-Bauern-Gegensatzes diese Entwicklungen auch in einem
(relativ) abgelegenen Alpental zu verorten. Eine Kategorisierung der einzelnen, auf
den Seiten der vorliegenden Arbeit vorkommenden Personen war dabei nicht das
Ziel. Viel wichtiger ist da schon die Beobachtung, dass sich auch an der Peripherie
soziale und politische Entwicklungen bemerkbar machten, die Pfurtschellers Sonder-
stellung zumindest begünstigten, wenn nicht gar überhaupt erst ermöglichten. Die
sich ändernden Rahmenbedingungen kamen ihm entgegen, es gelang ihm besonders
gut, diese – vor allem in ökonomischer Hinsicht – für sich zu nutzen. Es hat sich
jedoch auch gezeigt, dass Pfurtschellers Sonderstellung keine ganz und gar exklusive
war. Aus den Quellen ist erkennbar, dass es durchaus eine ganze Reihe von Persön-
lichkeiten im Stubaital gab, die sich innerhalb der regionalen sozialen Hierarchie
auf Augenhöhe mit Pfurtscheller befanden. Letzterer und eben diese, seine etwaigen
Mit-Bürger, waren es, die üblicherweise als ständische Vertreter des Bauernstandes in
Erscheinung traten, die administrative Ämter auf Gemeinde- beziehungsweise Ge-
richtsebene ausübten, die im Übrigen letztlich auch die in der Region führenden
Köpfe des „Bauernaufstandes“ im Jahr 1809 waren. Namentlich sind hier etwa die
auf den vorangegangenen Seiten mehrfach genannten von Stolz, Domanig oder Le-
ner zu erwähnen. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang auch nochmals
die zwischen diesen Männern bestehenden – durch Heirat begründeten – famili-
ären Bande. Ähnliche Vernetzungen der Eliten – das konnte in Kapitel 5 anhand
der Wirtsfamilie Lener, aber auch angesichts Michael Pfurtschellers zweiter Ehefrau
Elisabeth Wolf gezeigt werden – wurden auch überregional gepflegt und ausgewei-
tet. Doch auch wenn Pfurtscheller dieser regionalen Elite zuzuordnen ist, in einem
wesentlichen Punkt unterscheidet er sich doch von den eben beispielhaft Genannten:
Während von Stolz, Domanig und Lener aufgrund ihrer Funktionen als Landrichter,
Postmeister beziehungsweise Wirte wohl durchaus als Angehörige einer traditionel-
len ländlichen Elite begriffen werden können, scheint Pfurtscheller erst der Aufstieg
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435