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14 Einleitung
Paradigmenwechsel, der insgesamt in den Geistes und Naturwissenschaften
einen entscheidenden Wandel in den Konzepten, Modellen und Verfahren mit
sich gebracht hat, bedeutete für die Translationswissenschaft eine nachhaltige
Erweiterung des Beobachtungsrahmens und die Erarbeitung von Fragenstel
lungen, die zunächst vor allem bei der Erforschung von Übersetzungsprakti
ken Problemkomplexe wie historische Zusammenhänge, kontextuelle Situation
oder Translationskonventionen zu berücksichtigen begannen und den Makro
Kontext des Forschungsgegenstandes des Translats in den Vordergrund rückten.
Wurden in einem ersten Schritt kulturelle »Transfer« probleme noch haupt
sächlich als kulturspezifische Einzelprobleme abgehandelt, so wurde diese Di
mension bald auf die Diskursebene ausgeweitet und schließlich im Zuge einer
kulturwissenschaftlichen Neubestimmung der Translationswissenschaft auf jene
Verfahren bezogen, die explizit repräsentationskritisch Machthierarchien in
frage stellen und die Konstruktionsmechanismen des »Anderen« freilegen.
Diese Loslösung von textfixierten und auf Harmonie im Sinne von »Völker
verständnis« abgestellten Betrachtungsweisen vermag nicht nur starre Zuord
nun gen aufzubrechen und asymmetrische Transferverhältnisse freizulegen,
sondern fokussiert gleichzeitig auf jene Übersetzungskonstellationen, die
»Übersetzung als interaktives soziales Geschehen konkretisieren« (Fuchs 1997 :
319). Dadurch wird der Blick auf die kulturellen und sozialen Kodierungen ge
lenkt, die das translatorische Phänomen in besonderem Maß ausweisen : Ver
mittlungsprozesse sind nicht nur in kulturelle, sondern auch in gesellschaftliche
Gefüge eingebunden, die sowohl das Aushandeln kultureller Differenzen im
plizieren als auch die Auslotung der in den Übersetzungsvorgang involvierten
Handlungsformen. Vermittlungsfiguren stehen folgerichtig als eine Art »ver
bindendes Gewebe« zwischen den Kulturen und sind in ihren jeweiligen Ent
stehungskontexten in soziale Netzwerke eingebunden, die sie als konstruierende
und konstruierte Subjekte erscheinen lassen. Diese Einsichten lassen im Kiel
wasser der »kulturellen Wende« zwei große Fragenkomplexe virulent erschei
nen : Zum einen ergeben sich daraus ernsthafte Konsequenzen für den Begriff
der Übersetzung und damit für den Objektbereich der Translationswissenschaft.
Zur Konzeptualisierung eines Übersetzungskonzepts, das einer Auffassung von
Kultur als identitäts und traditionssichernde Instanz entgegenwirkt und viel
mehr die dynamischen Veränderungen thematisiert, die durch kontinuierliche
Begegnungsmomente hybride Befindlichkeiten schaffen, erscheint es erfor
derlich, das Potenzial eines metaphorisch konzipierten Übersetzungsbegriffes
(Stichwort : »kulturelle Übersetzung«) zum Einsatz zu bringen, der nicht nur
die kulturellen Überschneidungssituationen des translatorischen Prozesses the
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437