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Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 21
Denkansätze (Simon 1996, Diocaretz/Segarra 2004, Raterman 2010) haben be
deutende Beiträge zu einer Differenzierung übersetzerischer Konzepte geliefert.
Diese Entwicklungen lassen die Hoffnung aufkommen, der auch in translato
rischen Belangen wirksamen Rationalisierung der wissenschaftlichen Welt, wie
ihr vor allem in den Ansichten von Wissenschaft als wirtschaftliche Produktiv
kraft in jüngerer und jüngster Vergangenheit verstärkt das Wort geredet wird,
entgegenzuwirken, scheint doch die Wissenschaft als System heute sowohl der
außerordentlichen Dynamik preisgegeben, mit der sich Forschung und Theo
riebildung weiterentwickeln, als auch dem rapiden Strukturwandel der Institu
tionen ausgesetzt (Heuermann 2000 : 69), die das Betreiben von Wissenschaft
ermöglichen und bedingen.
Speziell auf den Kontext der Beziehungen von Wissenschaft und Gesellschaft
stellt sich die Frage, worin ein diesbezüglicher Beitrag von translatorischer bzw.
translationswissenschaftlicher Seite bestehen könnte. Ein solcher wäre unter Be
rücksichtigung der genannten Problemstellungen auf zwei Ebenen zu verorten :
Zum einen geht es um die gesellschaftlichen Handlungsgefüge, in die Transla
torInnen als Subjekte und ihre Handlungen, die unter der Einwirkung zahlrei
cher Faktoren zum translatorischen Produkt führen, eingebunden sind ; hier ist
die Erfassung dieser komplexen Prozesse in einem theoretischen Modellrahmen
gefragt, der die Dynamik der Funktionsmechanismen der sozialen Figurationen,
also die Beziehungs und Interaktionssysteme, unter denen Translate zu kultur
und gesellschaftspolitisch relevanten Produkten werden, schlüssig zu umreißen
und in ihren vielfachen Verknüpfungen darzustellen vermag. Die Betrachtung
des Phänomens des Übersetzens als soziale Praxis ist dabei nicht zu trennen von
einer Sicht des Phänomens der Übersetzung als kulturelles Konstrukt. Für die
wissenschaftstheoretische Ebene ist die Betrachtung der relationalen Situierung
des sozial agierenden Individuums im gesellschaftlichen Spannungsfeld aller am
Translationsprozess im weitesten Sinn involvierten Subjekte sowie der Entste
hungs und Zirkulationsbedingungen des translatorischen Produkts konstitutiv.
Die komplexen Beziehungsgeflechte, in die die beteiligten Instanzen einge
bunden sind, können vor dem Hintergrund einer Sicht von Translationswis
senschaftlerIn und TranslatorIn als konstruierendes und konstruiertes Subjekt
in der Gesellschaft, das das translatorisch relevante soziale Gefüge wesentlich
bestimmt, besser freigelegt werden.
Es stellt sich die Frage, inwieweit die Translationswissenschaft dem Anspruch,
sowohl gesellschaftskritisch das Phänomen Translation in seinen sozialen Be
zügen zu untersuchen, als auch – und damit verknüpft – theorie und modell
bildend die auf den – genauer zu bestimmenden – Objektbereich einwirkenden
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437