Seite - 31 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Bild der Seite - 31 -
Text der Seite - 31 -
Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 31
Subjekte jedoch gerade nicht auf ethnische oder andere Positionen festzulegen,
sondern er stellt den Bereich der Überschreitung jener divergierenden ethni
schen, klassenspezifischen und geschlechtsspezifischen Zugehörigkeiten oder
Zuschreibungen hervor, die nur in ihrer »Verknotung« das individuelle Subjekt
ausmachen können. Und dieses Subjekt ist gefordert, über die beschränkenden,
da reduzierenden Identitätsansprüche, die von herkömmlichen Kulturkonzep
ten an es gestellt werden, hinauszugehen, ohne diese Erbschaft zu verleugnen
oder auch zu verdrängen (Bronfen 2000 : IX, XI). Kultur ist somit nicht mehr
eine Instanz, die Traditionen und Identitäten zu ihrem Fortbestehen verhilft,
sondern ist durch das Zusammenfließen von Prozessen der Sinnzuschreibungen
gekennzeichnet, ist ein mehr oder weniger dichtes Netzwerk von Symbolen und
Bedeutungen.
Im Kulturkonzept von Homi Bhabha ist das Moment der Begegnung durch
Migration eine zentrale Denkform, durch die es zu kontinuierlichen Diskon
tinuitäten, Brüchen und Differenzen kommt. Das Ergebnis dieser Berührun
gen impliziert laut Bhabha hybride Befindlichkeiten, die für Migrationskultu
ren kennzeichnend sind. Obwohl Hybridität inzwischen als ein beinahe zum
Modewort verkommener Terminus gelten kann, birgt das Konzept eine gewisse
Sprengkraft in sich, führt doch laut Robert Young seine Anwendung zu »ques
tions about the ways in which contemporary thinking has broken absolutely
with the racialized formulations of the past (Young 1995 : 6). Unter Hybridität
wird das Ergebnis aus kultureller Begegnung, aus der Berührung von Räumen
verstanden, die zur Veränderung aller Beteiligten führt. Das Phänomen der Hy
bridität beruht auf der Annahme, Kulturen könnten nicht als homogen oder
geschlossen angesehen werden, sobald sie im Kontext von »Wesen« oder »Ort«
diskutiert werden. Wird Hybridität also als Resultat jedweder Begegnung von
Kulturen aufgefasst, als Verknüpfung unterschiedlicher diskursiver Praktiken, so
erfährt das Kulturkonzept eine zusätzliche Dynamisierung, durch die alle Betei
ligten eine Veränderung erfahren. Edward Said meint, dass an der Konstitution
aller Kulturen viel Erfundenes beteiligt sei, das auch in die ständige Schaffung
und Neuschaffung der verschiedenen Bilder einfließt, die sich eine Kultur von
sich macht, wodurch es zu steten Manipulationen und Falsifikationen komme
(Said 1997 : 44). Damit bringt Said zum einen die machtvollen Beziehungen
in die Diskussion ein, die jede Konstituierung von Kulturen kennzeichnet, und
zum anderen den hybriden Charakter, der jeder Kultur immanent ist : »Alle Kul
turen sind hybrid, keine ist […] [rein] […], keine bildet ein homogenes Ge
webe« (ibid.). Bhabha bringt die Annahme, dass Hybridität letztlich jede Kultur
kennzeichnet, auf den Punkt, wenn er sagt :
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437