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42 K.(u.)k. »going postcolonial«
begegnen können – womit der Konstruktion des Anderen freier Raum gegeben
wird. Zugespitzt formuliert Ernest Gellner Nation (über den Umweg Natio
nalismus) ähnlich, wenn er sagt »Nationalismus ist keineswegs das Erwachen
von Nationen zu Selbstbewußtsein : man erfindet Nationen, wo es sie vorher
nicht gab« (Gellner 1964, zit. nach Anderson 1998 : 15, Hervorh. i. O.). Beiden
Formulierungen ist das Moment der Konstruktion eingeschrieben, müssen doch
diese »imagined communities« ebenso auf der Basis vielfacher Re Kontextuali
sierungen immer neu entworfen werden wie die zuvor nicht existierenden und
»zu erfindenden Nationen«.15 Als eine solche Fiktion kann auch der Begriff der
Ethnizität gelten, mit dem ethnische Gruppen, wie Werner Sollors in seiner
Invention of Ethnicity (1989) ausführt, zumeist so dargestellt werden, als ob sie
reale, externe, stabile und statische Einheiten wären – womit ihnen nicht nur ein
ahistorischer Charakter zugeschrieben wird, sondern auch das Prinzip der Au
thentizität propagiert wird, das einmal mehr zur Verfestigung von Sinneinheiten
beiträgt und die Essenzialisierung vorantreibt. Der Zweck, kulturelle Elemente
als authentisch zu definieren, ist offensichtlich, werden damit doch hegemoniale
Ansprüche formuliert, die sich das Prinzip der Ausgrenzung und der Durchset
zung von Wahrnehmungs und Deutungsmustern auf die Fahnen heften und
einen gesellschaftlichen Universalkonsens implizieren, auf dessen Basis Macht
ansprüche realisiert werden können. Auch das Theorem der kulturellen Diffe
renz verhilft nicht immer zu einem Ausweg aus solchen Festschreibungen und
macht noch keine Ethnizität aus – Sollors führt hier treffend das Beispiel des
in den USA als »laundryman« tätigen Chinesen an, der seinen Beruf nicht in
China gelernt hat –, es sind vielmehr die für den jeweiligen historischen Mo
ment und den jeweiligen Raum spezifischen Machtbeziehungen, die den Er
findungsakt ausmachen. Der Gleichsetzung von »Erfindung« und »kultureller
Konstruktion«, wie sie Sollors vornimmt, ist im Hinblick auf diese machtvollen
Verflechtungen zuzustimmen.
In »kakanischer« Perspektive heißt das für den kulturellen Raum der Habs
burgermonarchie aus der oben diskutierten Sicht als »Pseudo Kolonialmacht«,
dass dieser aufgrund seiner ethnisch kulturellen Differenziertheit als »Versuchs
station« (Schuchardt 1884 : 131) gedeutet werden kann, in dem kontinuierlich
Prozesse stattfinden, die, bedingt durch die heterogene kulturelle Lebenswelt
auf einer Mikroebene einerseits und durch die zumeist migrationsbedingten
15 In den vergangenen Jahren hat sich vor allem im Kontext der »Erfindung des Balkan« eine frucht
bare Diskussion entwickelt ; vgl. etwa Todorova (1999), Mishkova (2006) ; spezifisch zu »Balkan
bildern« in der Habsburgermonarchie im 19. und frühen 20. Jahrhundert : Rathberger (2009).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437