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Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 49
wurden (vgl. etwa Cronin 1996, Tymoczko/Gentzler 2002 u.v.m.). Die Untersu
chung der diesbezüglichen Steuerungsprozesse, seien sie hemmend, bremsend,
ablehnend oder fördernd, gibt Aufschluss sowohl über den Stellenwert von
Übersetzung in einer Kultur als auch darüber, welche Manipulationen für und
wider das Phänomen Translation getätigt werden, was auch unter dem Schlag
wort »Übersetzungspolitik« subsumiert werden könnte.
Diese Merkmale sind auch dem Konzept der »kulturellen Übersetzung« ein
geschrieben. Kate Sturge versteht darunter »a metaphor that radically questions
translation’s traditional parameters, but a somewhat narrower use of the term
refers to those practices of literary translation that mediate cultural difference
[…]. ›[C]ultural translation‹ does not usually denote a particular kind of transla
tion strategy, but rather a perspective on translations that focuses on their emer
gence and impact as components in the ideological traffic between language
groups« (Sturge 2009 : 66, Hervorh. i. O.).
Das Konzept scheint zwischenzeitlich zu einem Leitbegriff postmoderner
Reflexionen avanciert zu sein und ist, wie Boris Buden anmerkt, in »dem so
genannten postkolonialen Diskurs […] wirklich zu Hause« (Buden 2003 : 59).
Konzepte kultureller Übersetzung sind jedoch unter anderem auch in der An
thropologie und Ethnografie entwickelt worden und haben von dort aus – wie
auch von den Postcolonial Studies aus – Eingang in die Übersetzungswissen
schaft genommen. Bronislaw Malinowski hatte bereits in den 1930er Jahren
den bilateralen Übersetzungsprozess zwischen Beobachtenden und zu Beob
achteten im Rahmen der Ethnografie zum Thema gemacht und dabei die Au
torität der EthnografInnen problematisiert (Berg/Fuchs 1993 : 31f.). Die daraus
resultierenden Diskussionen führten nicht zuletzt zur sogenannten »writing
culture« Debatte (Clifford/Marcus 1986) sowie zur Einforderung nach Be
rücksichtigung der asymmetrischen Verhältnisse, unter denen diese kulturelle
Übersetzung realisiert wurde ; ebenso wurde der Ruf laut nach verstärkter Wahr
nehmung der Überlappungen und der internen Konflikte, die diese Übersetzung
bewirken und deren mangelnde Berücksichtigung letztendlich die »Krise der
Repräsentation« herbeiführten.
In jüngerer Zeit ist die Denkfigur der kulturellen Übersetzung auch zuneh
mend in der Übersetzungswissenschaft theoretisiert worden (vgl. z. B. Sturge
2007, Wolf/Pichler 2007, Wolf 2008b), doch formierten sich gerade auch dort
einige vehemente Stimmen dagegen. Aussagen wie »[a]lle Transferleistung
ist mehr oder weniger eine Übersetzung« (Espagne 2003 : 8) gelten dann als
Reizworte und signalisieren die Gefahr, dass der Translationswissenschaft ihr
Objektbereich abhanden kommen könne. Michael Cronin etwa merkt an, dass
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437