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50 K.(u.)k. »going postcolonial«
viele kritische Theorien den Begriff der Übersetzung in metaphorischem Sinn
(zu dem er auch »cultural translation« zählt) verwenden, ohne von der Existenz
einer einschlägigen Wissenschaft, den Translation Studies, überhaupt Notiz zu
nehmen (Cronin 2000 : 103). Nicht unähnlich weist Mirella Agorni im Rahmen
ihrer Untersuchung der Interaktionen zwischen Übersetzen und Reiseliteratur
von Frauen im 18. Jahrhundert auf mehrere Vertreter anthropologischer Ansätze
hin, die von einem metaphorischen Übersetzungsbegriff Gebrauch machen
(Geertz, Clifford, u.a.) und warnt im Zuge dieser Analysen vor einer »pervasive
poststructuralist tendency to deprive translation of its materialist grounding«
(Agorni 2002 : 96). Besonders eindringlich wendet sich Harish Trivedi gegen
das Konzept der kulturellen Übersetzung, wenn er wettert :
Meanwhile, instead of a cultural turn in translation studies, we have on our hands
a beast of similar name but very different fur and fibre – something called Cultural
Translation. (Trivedi 2007 : 281)
Trivedis Hauptargument besteht darin, dass durch die metaphorische Verwen
dung und weitere Konzeptualisierung dieses Begriffs die sprachlichen Unter
schiede und die Koexistenz von Sprachen, auf denen Übersetzung im tradi
tionellen Sinn beruht, nicht nur unterbewertet werden, sondern dass darüber
hinaus der Begriff dadurch selbst sukzessive abhanden kommt. Er kritisiert die
Verwendung von »Übersetzung« für Phänomene, die bereits »theoretisch sank
tioniert« sind wie Migration, Exil oder Diaspora und plädiert vielmehr dafür
»to unite and take out a patent on the word ›translation‹, if it is not already too
late to do so« (ibid.: 258). Sherry Simon argumentiert, dass nun Trivedi insofern
Recht zu geben sei, als dass sich die TheoretikerInnen der Cultural Studies den
Begriff der Übersetzung mittels der Verwendung des Konzepts der kulturellen
Übersetzung aneignen – und dies überdies, ohne Sprachen zu lernen. Simon
zeigt Verständnis für die Befürchtung, dass eine unkontrollierte Ausweitung
der Betrachtung von Übersetzung mit allen erdenklichen Implikationen die re
lativ neu etablierte Disziplin der Translation Studies in Bedrängnis versetzen
könnte, hält dem aber gleichzeitig vor dem Hintergrund ihrer Sicht von »kultu
reller Übersetzung« als »platform of analysis« entgegen, »that such a broad array
of entry points into the issues cannot help but contribute to the institutional
strength of the field at large, proving its appeal to contemporary thought and
social action« (Simon 2009 : 210).20
20 Vgl. dazu auch das Forum »Cultural Translation« in Translation Studies 2 : 2 (2009), 3 : 1 und 3 : 3
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437