Seite - 59 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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Der Versuch einer Übersetzungstypologie 59
(Csáky 1996 : 52). Genannt werden die mannigfaltigen und über Jahrhunderte
reichenden Einflüsse aus Spanien, Frankreich, Italien oder dem Osmanischen
Reich, die unterschiedliche gesellschaftliche, politische, künstlerische, musi
kalische, literarische, gastronomische, u.a. Verknüpfungen repräsentieren. Die
ausschließliche Europa Bezogenheit erscheint insofern zu kurz gegriffen, als
gerade die sekundär oder tertiär aus den verschiedenen europäischen Kolonien
in Übersee überlieferten kulturellen Elemente durchaus in den Metropolen der
Monarchie etabliert wurden, es sei nur an das Bild des »Mohren« gedacht, in
dem, zunächst positiv besetzt, viele der hier genannten Verknüpfungen nachge
wiesen werden können (vgl. Sauer 1996, 2007), oder an die jahrelang diskutierte
Frage des im Naturhistorischen Museum der Stadt Wien lagernden Feder
schmucks des Moctezuma (vgl. auch Müller 2007 im weiteren Zusammenhang
von »Beutekunst«).
Für den vorliegenden Kontext ist die »exogene Pluralität« insofern von Re
levanz, als sie die Grundlage für den hier als »transkulturelle Translation« be
zeichneten Translationstypus bildet. Das Konzept der Transkulturalität beruht
auf der Vorstellung von Kulturen als hoch differenzierten und komplexen Be
ziehungsgefügen, die eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensformen aufweisen.
Kulturen sind im Rahmen einer transkulturellen Sicht von der Verflechtung
einer Vielzahl möglicher Identitäten gekennzeichnet und weisen durch ihren
hohen Kontaminierungsgrad die Durchdringungsmechanismen vielfältiger
Interaktionsprozesse auf. Diese Verflechtungen sind sowohl das Produkt von
Migrationsbewegungen als auch von zunehmenden Globalisierungstendenzen,
die sich in internationaler Verkehrsvernetzung ebenso niederschlagen wie in
globalen Kommunikationssystemen. Wolfgang Welsch kann als einer der pro
minentesten Vertreter eines Transkulturalitätskonzepts angesehen werden, das
auf ein »vielmaschiges und inklusives, nicht auf ein separatistisches und exklu
sives« Verständnis von Kultur abzielt (Welsch 2002) und damit den vielfachen,
sich aus Migrations und Assimilationsprozessen ergebenden kulturellen Über
schneidungsprozessen zu entsprechen versucht.26 Welsch betont, dass es sich
bei diesem Kulturkonzept um eine »temporäre Diagnose«, also um eine Phase
des Übergangs handle, in der alte Vorstellungen von Einzelkulturen zum Aus
gangspunkt genommen werden, es jedoch gleichzeitig zunehmend deutlicher
wird, dass solche Vorstellungen immer weniger auf heutige Kulturen zutreffen.
26 Transkulturelle Konzepte erfreuen sich in jüngerer Zeit ungebrochener Beliebtheit. Dies mag zum
einen auf Ermüdungserscheinungen in der Verwendung von »Interkulturalität« zurückzuführen
sein, entspricht jedoch auch der zunehmenden Komplexität postmoderner Gesellschaftsformen.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437