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70 Das habsburgische Babylon
Deutsch-
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Ladiner
Bosnien-
Herzego-
wina 1,22 (–) (–) 0,00 (–) 0,00 43,49 22,87 32,25 0,00 0,00
Österreich-
Ungarn 23,90 20,20 12,60 3,80 10,00 7,90 2,60 5,30 3,80 1,20 6,40 2,00
Tabelle 1
Die Nationalitäten der Habsburgermonarchie 1910, Angaben in Prozent (Rumpler 1997 : 557)42
Obwohl der Sprache im Vielvölkerstaat eine tragende Rolle in der nationalen
Differenzierung zugeschrieben wurde, stand die Formierung eines Sprachbe
wusstseins in konfliktreichem Kontrast zum nur impliziten Selbstverständnis
der Monarchie, die ja die ethno linguistische bzw. ethno kulturelle »Vielfalt«
des Reichs zu erhalten suchte.43 Die so in der sprachlichen Praxis festgeschrie
bene Sinnzuschreibung war dementsprechend politisch aufgeladen und wurde
zur conditio sine qua non in der Geltendmachung nationaler Rechte, und den
sozialen und kulturellen Praktiken der einzelnen BürgerInnen bzw. gesellschaft
lichen Gruppierungen war in den letzten Jahrzehnten des Bestehens der Mo
narchie eine identitätsdefinierende, politisch motivierte Rolle eingeschrieben ;
letztendlich »konnte im ethnisch kulturell dicht durchmischten Habsburger
staat praktisch jede Handlung als ›politisches Bekenntnis‹ gedeutet werden«
(Stachel 2001 : 20).
Die »Belehrung« zur Frage nach der Umgangssprache im Erhebungsbogen
zum Zwecke der Volkszählung ließ lediglich die Angabe einer einzigen Sprache,
und zwar »der« – also einer einzigen – Umgangssprache, zu, ohne Differenzie
rung zwischen Anteil des familiären oder beruflichen Umgangs :
42 Minderheiten unter 1 % blieben in der Tabelle unberücksichtigt. Zur Verteilung der Sprachen
in den einzelnen Reichsteilen vgl. Wandruszka/Urbanitsch (1980, Band 1 und 2). Juden und
Jüdinnen wurden nicht als eigene Nationalität angesehen, somit schien auch das Jiddische nicht
in der Liste der möglichen »Umgangssprachen« auf. Im Zensus von 1910 wurde Jiddisch als
deutscher Dialekt behandelt : »For the purpose of the official census, which used language as the
criterion of nationality, Yiddish was treated as a German dialect, so the Jews had for years been
counted as Germans« (Janik/Toulmin 1973 : 59).
43 Vgl. dazu etwa die Bestrebungen von Otto Bauer oder Karl Renner, die versuchten, die sprachliche
und kulturelle »Vielfalt« der Monarchie in einer »Civil Society« politisch zu verankern (Csáky
1996 : 46).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437