Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Seite - 98 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 98 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918

Bild der Seite - 98 -

Bild der Seite - 98 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918

Text der Seite - 98 -

98 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie Neben diesen unterschiedlichen Formen des »habitualisierten Übersetzens« haben sich auch Subformen herausgebildet, die nicht eindeutig als »habituali­ siert« bezeichnet werden können, da für sie zumeist nicht das wichtigste Merk­ mal dieses Typs kennzeichnend war, nämlich ihre unhinterfragt postulierte Selbstverständlichkeit. DienstbotInnen und Handwerker – die hier wie erwähnt nur stellvertretend für eine Reihe weiterer Berufsgruppen herausgegriffen wur­ den – waren kraft ihrer Tätigkeit in unterschiedlichen Abstufungen in ihren Arbeitsfeldern gezwungen, die Sprache des »Anderen« zu sprechen und agierten damit in zum Teil stark ausgeprägten Machtverhältnissen. Sie standen für eine fragmentierte soziale und kulturelle Identität und trugen durch ihre Tätigkeit in ungeahntem Ausmaß zur Herausbildung hybrider Befindlichkeiten bei. Die hier angesprochenen Subformen des »habitualisierten Übersetzens« hingegen beruhen grundsätzlich auf Freiwilligkeit und sind dementsprechend in weniger starke Machtbeziehungen involviert. Im Folgenden soll der Kommunikations­ typus des sogenannten Tauschkindersystems herausgegriffen werden, um eine solche Subform zu illustrieren. Tauschkinder85 Das oft auch »Wechsel« genannte Tauschkindersystem bezeichnete den befris­ teten Austausch von Kindern zwischen unterschiedlich sprechenden Familien. So wurden Kinder zwischen sechs und vierzehn Jahren in mehrsprachigen Ge­ bieten oder entlang von Sprachgrenzen ins (eine andere Sprache als die eigene Sprache sprechende) Nachbardorf oder auch über weitere Entfernungen ge­ schickt, um die jeweils andere Sprache zum Zweck der besseren interethnischen Kommunikation im Rahmen der Arbeitsbeziehungen zwischen den sprachli­ chen »Minderheiten« zu lernen und damit bestenfalls auch die Berufschancen zu erhöhen ; in jedem Fall konnte sich daraus ein tolerantes Verhalten gegenüber dem »Anderen« entwickeln (Kósa 1987 : 92). Der funktionale Aspekt stand also im Vordergrund, war aber in keiner Weise durch Gesetze geregelt und auch in­ nerhalb der Dorfgemeinschaften nicht der Konvention, sondern der freien Wahl öffentlichen Enquete über die Lage der Kleingewerbe in den Jahren 1873 und 1874 in Wien be­ richtete : »Der Lehrling, welcher heute deutsch spricht, muß mit der Zeit böhmisch lernen, denn wenn er in die Werkstätte kommt, hört er keine andere Sprache. Selbst der Meister muß böhmisch lernen, um sich mit seinen Arbeitern zu verständigen« (vgl. Steidl 2003 : 48f.). 85 An dieser Stelle sei Michael Mitterauer von der Universität Wien herzlich für seine ersten Hin­ weise zu diesem Thema gedankt.
zurück zum  Buch Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918"
Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Untertitel
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Autor
Michaela Wolf
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
442
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Die vielsprachige Seele Kakaniens