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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Seite - 107 -
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»Polykulturelle Kommunikation« 107 gleichsjahren Deutsch Sprechende, während die Zahl der Mannschaften deutschsprachiger Herkunft jeweils nur etwa ein Viertel ausmacht. Die über­ wältigende Mehrheit der Militäreinheiten war vielsprachig. Im Sommer 1914 etwa galten lediglich 142 Regimenter als einsprachig (davon nur 31 deutsch­ sprachig), 162 waren zweisprachig, 24 dreisprachig, und einige sogar vierspra­ chig. Das bedeutete insgesamt, dass mehr als 90 % der Offiziere gezwungen waren, sich in zumindest einer anderen Sprache als Deutsch zu verständigen (vgl. Déak 1991 : 122).96 Einen dementsprechend bedeutenden Raum nahm die sprachbezogene Ausbildung ein. Von den Zöglingen an den Militärschulen erwartete man Kenntnisse in den wichtigsten Sprachen der Monarchie, wobei diese oft von Offizieren unterrichtet wurden, die selbst verkannte Dichter oder Schriftsteller waren. Die Ausbildungs­ und Umgangssprache in den k.(u.)k. Armeeschulen war Deutsch, 1904 setzte die ungarische Regierung Ungarisch als Pflichtsprache an der Wiener Neustädter Militärakademie durch (ibid.: 109f.) ; Französisch wurde in allen Lehrgängen gelehrt, Tschechisch, Ungarisch und Italienisch ab dem dritten bzw. sechsten Jahrgang. Nach dem Verlust der italienischen Provinzen entfiel der Italienischunterricht, es konnte nun zwi­ schen Ungarisch und Tschechisch gewählt werden (Wagner 1987 : 245 und 497).97 Die Ausbildung schien sich auf die rein sprachliche Komponente zu beschränken ; eine kulturspezifische Ergänzung war offensichtlich nicht vorge­ sehen, was zweifelsohne zu erheblichen Missverständnissen in der Kommuni­ kation innerhalb der Armee nicht unwesentlich beitrug ; der Offiziersanwärter lernte, »Massen und Menschen zu führen, und nicht, sich mit den Besonder­ heiten ihrer Individualität zu beschäftigen« (Déak 1991 : 113). Daraus resultie­ rend waren viele Offiziere überfordert, wenn sie plötzlich vor einer Klasse voller Militärschüler standen, die sie in ihrer Muttersprache anzureden hatten, ihnen Besonderheiten einzelner Waffen erläutern oder die richtige Form der Anrede eines Vorgesetzten erläutern mussten. Zusätzlich lastete ein Leistungsdruck auf den Offizieren, denn sie waren unter Androhung des Ausschlusses von einer 96 Manche Offiziere hatten eine mehrsprachige Jugend und Kindheit verlebt. Der in Dalmatien ge­ borene und aufgewachsene General Urbánski lernte z. B. von seinem Vater Polnisch und Deutsch, von seiner Mutter Italienisch, von den Dienstboten »italienisch­ slowenischen Kauderwelsch« und von dem Offiziersburschen seines Vaters ein wenig Ungarisch (vgl. Déak 1991 : 294, Anm. 9). 97 In der Marine war für die Beförderung zum Unteroffizier die Beherrschung einer Sprache in Wort und Schrift erforderlich, eine zweite sollte zumindest passiv verstanden werden. Für Seeoffiziere enthielt der Lehrplan der Marineakademie neben den technischen Disziplinen Unterrichtsstun­ den in Deutsch, Serbokroatisch und Italienisch, für höhere Jahrgänge Englisch und Französisch (Höbelt 1987 : 742, 744).
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Untertitel
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Autor
Michaela Wolf
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
442
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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