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»Polykulturelle Kommunikation« 109
Im Unterschied zum Heer sind die Seeoffiziere deutscher Nationalität schwä
cher vertreten, machen jedoch im Jahr 1910 immerhin die Hälfte aller Offiziere
aus. Von den anderen Nationalitäten sind verständlicherweise jene, die Anteil
an Meeresgebieten haben (Italiener, Kroaten, Slowenen), stärker als Seeoffiziere
und auch Mannschaften (siehe vor allem Kroaten und Italiener) vertreten als
im Heer.
Die vielfältigen Translationsprozesse, die der hier ersichtlichen institutionell
geforderten Plurilingualität im Heer zugrunde lagen, sind in der Kommunika
tionspraxis klar erkennbar, wo zwischen den drei Bereichen Kommandosprache,
Dienstsprache und Regimentssprache ein ständiger Codewechsel stattfand. Die
Angehörigen des Heeres waren – vor allem in den höheren Rängen – gefordert,
zwischen den Registern dieser drei Bereiche zu »switchen«, um eine einigerma
ßen zufrieden stellende Kommunikation innerhalb des Heeres gewährleisten
zu können.100 In der Kommandosprache wurden die reglementmäßigen Kom
mandos – etwa 80 an der Zahl – auf Deutsch erteilt. Für alle Kommandos, die
darüber hinausgingen, war die Verwendung der Nationalsprachen verpflichtend,
wenn sie von mindestens 20 % der Mannschaft eines Regiments gesprochen
wurden. Ein Offizier brüllte also seinen Befehl zunächst auf Deutsch, um ihn
anschließend in ein, zwei, drei oder sogar vier anderen Sprachen zu wiederholen
(Déak 1991 : 122). Die spezifische Diskussion um den Gebrauch der Komman
dosprache rief zuweilen erbitterte Debatten hervor, in denen allen voran der
Kaiser und sein Thronfolger an der deutschen Kommandosprache festzuhalten
bestrebt waren, während die Ungarn für Transleithanien die diesbezügliche
Einführung des Magyarischen forderten. Die ungarischen Forderungen wurden
schließlich mit dem Argument zurückgewiesen, dass die überwältigende Mehr
zahl der Regimenter in Ungarn gemischtsprachig und nicht »rein« ungarisch
waren (vgl. Papp 1987 : 641f., Rothenberg 1967 : 81).
Anders verhielt es sich mit der sogenannten Dienstsprache, in der der Ver
kehr mit den verschiedenen Dienststellen abzuwickeln war. Hier war für den
reibungslosen Dienstverkehr eine größtmögliche Einheitlichkeit angestrebt,
wonach die Dienstsprache im k. u. k. Heer und bei der k.k. Landwehr Deutsch,
bei der ungarischen Landwehr (Honvéd) Ungarisch war (Allmayer Beck 1987 :
98). Besonders komplex gestaltete sich die Frage der Regimentssprache, die dem
persönlichen Umgang mit der Mannschaft diente. Aufgrund der erwähnten
zahlreichen gemischtnationalen Regimenter war die österreichisch ungarische
100 Zu den einzelnen gesetzlichen Bestimmungen zur Regelung der Sprachverwendung bei Heer
und Marine vgl. Hugelmann (1934 : 152f., 251f.).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437