Seite - 118 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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118 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie
Geschäftsbereich Tätigen in Dalmatien das Studium der neuen Gesetze zu er
möglichen, und erwähnt, nicht ohne Stolz, dass diese Werke in der Folge in ganz
Dalmatien verteilt wurden.114 Sein Interesse an der Verbreitung neu geschaf
fener Gesetze wird schließlich vom Obersten Gerichtshof in Zadar gerne in
Anspruch genommen : Martecchini erhält den Auftrag, die wichtigsten Gesetze
betreffend Gemeindeangelegenheiten vom Italienischen ins Serbokroatische zu
übersetzen, die gedruckten Texte sollten an alle Richter der Provinz verschickt
werden. Martecchinis bedeutendste Translationsleistung stellt zweifelsohne die
Übersetzung des vom montenegrinischen Justizminister Baldasar Bogišić ver
fassten Zivilgesetzbuches für Montenegro aus dem Serbischen ins Italienische
dar, für die der Übersetzer mit dem »Ordine della Corona d’Italia« ausgezeich
net wurde und den Titel »Commendatore« erhielt.115
Diese kurzen Einblicke in die autobiografischen Aufzeichnungen eines ös
terreichischen Beamten sollen beispielhaft für viele andere Staatsdiener stehen,
die zum einen um die Anerkennung ihrer Bi und Multilingualität rangen und
zum anderen in ihrer – zum Teil selbst zugewiesenen, zum Teil von außen auf
erlegten116 – Tätigkeit als Mittler zwischen den verschiedenen Nationalitäten
114 Martecchini war mit der Ausübung solch freiwilliger, unbezahlter Übersetzungsarbeiten im Kon
text der Sicherung der »inneren Amtssprache« sicherlich kein Einzelfall. Im Erlass des Justizmi
nisteriums vom 16. Jänner 1849 wird dem »patriotischen Anerbieten des Herrn Cancelliere Dr.
Theodor Petranovich« gedankt, »die Übersetzung des bürgerlichen und Strafgesetzbuches in das
Illyrische« zu besorgen ; vgl. Fischel (1910 : 86). Ebenso wird dem in Wien tätigen k.k. Gerichts
sekretär Dr. Anton Deperis für die Übersetzung des italienischen Gesetzes vom 31. Jänner 1904
betreffend die Arbeiterunfallversicherung ins Deutsche aufrichtiger Dank vonseiten des Innen
ministeriums ausgesprochen. Der Dank bezieht sich auch auf weitere, bereits geleistete Überset
zungen privatrechtlicher Gesetze (vgl. AVA, 3, Karton 51, Zahl 56662/04). Deperis scheint auch
in den Listen beeideter Dolmetscher für die französische Sprache auf (Lehmanns Allgemeiner
Wohnungs-Anzeiger 1904 : 731).
115 Wie anerkannt Martecchini als Übersetzer von Gesetzestexten war, beweist auch die vom Ober
sten Gerichtshof von Zadar an Martecchini herangetragene Bitte, an einer Terminologiekom
mission mitzuwirken, die eine Terminologia ufficiale italiana – serbo o croata – tedesca korrigieren
und vervollständigen sollte (vgl. unten).
116 Auch die Sammlung autobiografischer Aufzeichnungen tschechischer Beamter Von Amts we-
gen. K.k. Beamte erzählen enthält zahlreiche Zeugnisse dieser mittlerischen Tätigkeiten. So ist
etwa der Geometer Jan Baše nach seiner Versetzung in das Katasteramt von Sarajewo darauf
bedacht, in Eigeninitiative Serbokroatisch zu erlernen. Später, als Vorgesetzter einer Gruppe von
Geometern, schrieb er für seine deutschsprachigen Angestellten sogar ein Konversationsbuch
Deutsch
Serbokroatisch mit einschlägigen berufsbezogenen und allen weiteren Redewendungen,
die »ein Beamter zur Arbeit und zum körperlichen und seelischen Wohlbefinden« brauchte (Baše
1941–1957/1998 : 187, 204f.).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437