Seite - 152 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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152 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie
allein authentische erklärt.149 Das Reichsgesetzblatt erschien fortan nur mehr in
deutscher Sprache. Für die Arbeit der Redakteure des Reichsgesetzblattes hatte
dies freilich keine weiteren Auswirkungen, denn die Übersetzungsarbeiten in
die Sprachen der Kronländer sollten weiterhin zentral in Wien erledigt werden,
der einzige Unterschied bestand darin, dass die Übersetzungen nicht mehr im
Reichsgesetzblatt erschienen, sondern – in deutscher Sprache sowie übersetzt in
die landesübliche/n Sprache/n – in den Landesregierungsblättern.150 Begründet
wurde die Beibehaltung der Tätigkeit des Redaktionsbureaus an zentraler Stelle
in Wien vor allem damit, dass die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen
Translatoren auf die einheitliche Gestaltung der Schriftsprache für verschiedene
slawische Sprachen einen günstigen Einfluss ausübe.
Durch die Weiterführung der translatorischen Arbeiten in Wien konnte auch
der Personalstand von durchschnittlich 17 Redakteuren im Laufe der folgenden
Jahre gehalten werden. Damit sollte es jedoch 1858 ein jähes Ende haben, als
der neue Justizminister Graf Nádasdy die Zahl der Redakteure mit dem lapi
daren Argument um die Hälfte reduzierte, dass ein Redakteur pro Sprache für
die anfallenden Arbeiten ausreichend sei. So waren Ende 1859 nur mehr neun
Translatoren im Redaktionsbureau tätig (vgl. »Personal und Besoldungsstand«
für das Jahr 1859, AVA, 40/1, Karton 2788, Zl. 10546/911, Beilage II). Der
Paukenschlag jedoch kam mit dem Kaiserlichen Patent vom 1. Jänner 1860, das
zur verbindenden Kundmachung aller Gesetze das nur in deutscher Sprache zu
verfassende Reichsgesetzblatt bestimmte (RGBl. 3/1860) und die Einrichtung
der Landesregierungsblätter, in denen seit 1853 die Übersetzungen publiziert
worden waren, aufhob. Zur Übersetzung gelangen sollten nur mehr Gesetze
und Verordnungen, die von den Zentralstellen dazu bestimmt würden, und dies
sollte von Gesetz zu Gesetz neu entschieden werden. Die Übersetzungen soll
ten von »geeigneten Beamten der Zentralstellen« erledigt werden. Damit war
das Redaktionsbureau aufgelöst, was per Antrag vom Minister des Innern Graf
Gołuchowski und dem Justizminister Graf Nádasdy an den Kaiser auch bestä
tigt wurde :
149 Per Verordnung des Justizministeriums vom 19. März 1853 wurde diese Bestimmung rückwir
kend auch auf alle schon zuvor im Reichsgesetzblatt erschienenen Gesetze und Verordnungen
wirksam (RGBl. 51/1853). Damit wurden retrospektiv sowohl die politisch erkämpften national
emanzipatorischen Forderungen als auch die Bedeutung der translatorischen Leistungen ad ab
surdum geführt.
150 Übersetzt werden sollten nicht mehr alle Gesetze und Verordnungen, sondern nur mehr diejeni
gen, die im betreffenden Staatsgebiet Wirksamkeit hatten (RGBl. 260/1852).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437