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»Polykulturelle Translation« 157
ihrer Dienstzeiten angefertigt hatten und dafür eine Extrabezahlung von je 546
Kronen erhielten (AVA, 40/1, Karton 2788, Zl. 29756/10). Besonders aufwändig
erschien die Übersetzung der Ministerialverordnung samt »Volkszählungsvor
schrift« im Vorfeld der Volkszählung von 1910 : Die Redakteure hatten unge
achtet der Urlaubszeit und unter Mitarbeit von Hilfskräften die 58 Druckseiten
so schnell in die sieben Landessprachen übersetzt, dass sie sich bereits am Tag
des Erscheinens der deutschen Ausgabe druckbereit in der Staatsdruckerei be
fand (ibid.: Zl. 37901/10).
Das Redaktionsbureau fungierte somit neben seiner Tätigkeit als Produzent
der Gesetzestranslate bis zu einem gewissen Ausmaß auch als allgemeines Über
setzungsbüro der Regierung, jedoch nur für den Geschäftsverkehr im Rahmen
des Ministeriums des Innern, in dem das Büro angesiedelt war ; Übersetzungen
des Geschäftsverkehrs mit dem Ausland wurden vom Departement für Chiffre
und translatorische Arbeiten erledigt. Da das per Gesetz festgelegte Aufgaben
gebiet der Redakteure einzig und allein die Übersetzung des Reichsgesetzblattes
umfasste, wurden die Redakteure für ihre sonstigen translatorischen Arbeiten
zumeist extra bezahlt ; wie weit sie kleinere Übersetzungsarbeiten im Rahmen
ihrer sonstigen Tätigkeit erledigten, kann freilich im Einzelnen nicht nachge
wiesen werden. Jedenfalls zeigt sich an dieser Regelung wie auch an der – auf
zuzeigenden – Handhabe des Departements für translatorische Arbeiten und
vor allem an der Vielzahl von Übersetzungen, die ehrenamtlich von beflissenen
Beamten angefertigt wurden, dass es an einer zentralen Stelle für Übersetzungs
arbeiten, wo den dauerhaft anfallenden translatorischen Aufgaben von Regie
rung und Verwaltung entsprochen werden konnte, mangelte.
Ein weiterer erwähnenswerter Punkt ist der hohe administrative und insge
samt budgetäre Aufwand, der für die technische Herstellung und Verteilung des
Reichsgesetzblattes nach dem Druck in alle Teile des Reichs erforderlich war.
Pro Jahr wurden insgesamt zwischen 35.000 und 40.000 Exemplare ausgeliefert ;
im Jahr 1901 waren es genau 37.553 Stück bei einer Gesamtauflage von 44.200,
zehn Jahre später 38.683 bei einer Gesamtauflage von 50.700 Stück (AVA, 40/1,
Karton 2784 und Karton 2788, ohne Zl.). Das Erscheinen des Reichsgesetz
blattes wurde jeweils in der Wiener Zeitung unter Angabe der Abonnenten
Preise angekündigt, ältere Jahrgänge wurden dort zu Sonderpreisen angeboten.
Die Adressaten des Blattes waren in allen Ländern des Reichs Gemeinden (ca.
70 %), Behörden (ca. 20 %) und freie Abonnenten (ca. 10 %), doch erreichten das
Ministerium zusätzlich fast täglich Anfragen zahlreicher Institutionen, die um
ein Exemplar in einer der Sprachen des Reichsgesetzblattes baten : Gerichte,
Genossenschaften, Postdirektionen, die Gendarmerie, Agrarbehörden, Biblio
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437