Seite - 158 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Bild der Seite - 158 -
Text der Seite - 158 -
158 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie
theken, die Zentralstelle für Kinderschutz, die Generaldirektion der Tabakregie,
die Donaukanalinspektion, ausländische Regierungen, Botschaften und viele
mehr. Die Kosten von Druck und Versand überschritten das Budget regelmäßig,
trotz der Zahlungen, die die Gemeinden (über den Umweg der Bezirkshaupt
mannschaften, ab 1912 über das Postamt) an den Staat für das Reichsgesetzblatt
abführen mussten, und trotz zahlreicher AbonnentInnen. Im 3. Quartal 1899
etwa beliefen sich die Kosten für Druck und Versand auf 50.892 Kronen, im
4. Quartal 1910 auf 53.814 Kronen ; Gemeinden zahlten im ersten Jahrzehnt
des 20. Jahrhunderts vier Kronen, freie AbonnentInnen acht Kronen für einen
gesamten Jahrgang, ab 1917 zehn Kronen. Während der Druck der Reichsge
setzblätter vor der Reform von 1869 zeitweise und je nach Kostenanbot in den
einzelnen Kronländern erfolgte, übernahm nach 1869 die Hof und Staatsdru
ckerei den Druck für die Sprachen aller Reichsteile.152
Qualitative Anforderungen
Die Mitarbeiter des Redaktionsbureaus waren im Laufe der Jahrzehnte un
terschiedlichen Qualifikationsanforderungen unterworfen ; eine Untersuchung
dieser Anforderungen erscheint gerade im Hinblick auf eventuelle translato
rische Kompetenzen der Redakteure von besonderem Interesse. Wie erwähnt,
wurden die Translatoren zunächst aus dem Bestand des Justizministeriums aus
gewählt. Damit sie den »wirklichen Ministerialkonzipisten« gleichgestellt wer
den konnten, mussten sie absolvierte Juristen sein, doch war damit noch lange
nicht gesagt, dass diese Juristen auch über die für ihre Tätigkeit ausreichenden
Sprachkenntnisse verfügten. In beiden Bereichen qualifizierte Personen konnten
nicht in ausreichendem Maß gefunden werden, was zu manchen Ausnahmen
führte. Ab 1856 wurde deshalb bei Ausschreibungen nicht mehr der Nachweis
der zurückgelegten juridischen Studien, sondern nur noch der »Nachweis der
Studien« verlangt. Als entscheidend wurden die sprachlichen Kenntnisse ange
sehen, die in den ersten beiden Jahren nicht durch eine Prüfung, sondern durch
Zeugnisse und Erkundigungen festgestellt wurden, ebenso war das »politisch
einwandfreie Vorleben der Bewerber« ausschlaggebend, doch war man in die
ser Hinsicht keineswegs »engherzig« (AVA, 40/1, Karton 2788, Zl. 10546/911).
Bereits 1851 wurde eine Prüfung zur Feststellung der rechtsrelevanten Sprach
kenntnisse der Bewerber eingeführt, bei der die Bewerber Probeübersetzungen
152 So wurden etwa die ungarischen Texte des Reichsgesetzblattes 1860 in Ofen Pest gedruckt, ru
thenische in Czernowitz (vgl. AVA, II.A.5, Karton 14, Zl. 8533/860).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437