Seite - 168 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Bild der Seite - 168 -
Text der Seite - 168 -
168 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie
nehmen, dass mit Departement 14 in ähnlicher Weise verfahren wurde, jedoch
manche Beamte anderorts eingesetzt werden mussten.
Von den Aufgaben des Departements für Chiffre und translatorische Ar
beiten interessieren für den vorliegenden Kontext vorrangig die Übersetzungs
tätigkeiten des Departements im engeren Sinn, die bis zum Jahr 1908, also über
60 Jahre hinweg, mit dem Bereich des Chiffrewesens eng verknüpft war. Auf
grund der Notwendigkeit, die Inhalte der Telegramme strenger Geheimhaltung
zu unterziehen,158 kann der Union der beiden Arbeitsbereiche eine strategische
Funktion zugeschrieben werden. Das Chiffredepartement war mit dem gesam
ten telegrafischen Verkehr des Ministeriums des Äußern befasst und besorgte
als solches sowohl ein und auslaufende Depeschen in Geheimschrift (»Ziffern
Telegramme«) als auch – seltener – in gewöhnlicher Schrift (in claris). Seine
wichtigste Tätigkeit bestand im Dechiffrieren bzw. Chiffrieren der Telegramme
nach eigenen Chiffrierschlüsseln, die laufend geändert und erneuert wurden.159
Verschiedene Zirkulare präzisierten in regelmäßigen Abständen die Prinzipien
der Chiffre Korrespondenz und die daraus resultierende Vorgangsweise von
seiten der involvierten Behörden, wobei hauptsächlich die strenge Geheimhal
tung der Inhalte und die äußerste Vorsicht in der Weitergabe der Informationen
behandelt wurden. Offensichtlich war es auch wiederholt vorgekommen, dass
im Schriftverkehr Erläuterungen zu Chiffre
Telegrammen »in claris« abgefasst
waren, was eindeutig den Bestimmungen des Departements widersprach (vgl.
»Zirkular des Chiffre Dep.« vom 23. Dezember 1907, HHStA, Administrative
Registratur, Fach 4, Karton 428, Zl. 97608/2/07). Depeschen zwischen dem Mi
nisterium und den auswärtigen Vertretungen wurden immer chiffriert, Erlässe
und Berichte nur dann, wenn die Beförderung nicht durch Kuriere oder andere
sichere Kanäle erfolgen konnte. Der Kontakt via chiffrierter Telegramme mit
auswärtigen Vertretungen und Behörden nahm im Laufe der Jahre ständig zu ;
wie aus einem gedruckten »Verzeichnis sämmtlicher Behörden, mit welchen
das k.k. Minsterium des Aeussern im Chiffreverkehre steht« hervorgeht, waren
es im Jänner 1891 genau 100 Städte, zu denen ein regelmäßiger telegrafischer
158 Der frühere Direktor des Haus , Hof und Staatsarchivs in Wien, Ludwig Bittner, bezeich
net das Chiffredepartement als einen »selbständigen, auch räumlich abgeschlossenen ›Staat im
Staate‹« ; vgl. Bittner in Wiedermayer 1931 : 151. Auch das beste Geheimhaltungssystem konnte
jedoch nicht verhindern, dass die in Geheimschrift verfassten Schriftstücke auch im Ausland
gelesen wurden ; vgl. diesbezügliche Details in Bittner (1937 : 835).
159 Über die genaue Geschäftsabwicklung der Telegramme bzw. den Expedit vgl. im Detail Wieder
mayer (1931 : 148f.).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437