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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Seite - 180 -
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180 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie Handelsbeziehungen und die Zunahme der Beziehungen zur Hohen Pforte in Istanbul bzw. durch die daraus resultierende Einrichtung der dortigen ständigen Vertretung, der Internuntiatur. Zunächst hatte man für die zu versehenden Dol­ metschdienste auf die in Péra, dem (christlichen) Botschaftsviertel von Istanbul lebenden »Griechen, Levantiner und Italiener« zurückgegriffen, die als Christen den kaiserlichen Diplomaten auch sozial näher standen als ihren osmanischen Herren. Einige dieser Dolmetscher fanden so zeitweise in osmanischen und kai­ serlichen Diensten zugleich Verwendung (Müller 1976 : 258).168 Das mangelnde Vertrauen, das diesen »unentbehrlichen Miethlingen« bzw. »ausländischen Mischlingen« aufgrund ihres Dienstes gegenüber zweier Herren entgegenge­ bracht wurde, löste den Ruf nach »eingeborenen Landeskindern« aus (Weiß von Starkenfels 1839 : 2f.).169 Wie etwa zur gleichen Zeit Paris, entsandte auch Wien bereits seit 1674 »Sprachknaben« (»jeunes de langues«)170 nach Istanbul, damit diese dort im jun­ gen Alter unter der Aufsicht des jeweiligen diplomatischen Missionschefs, der von der Hofkammer für die Unterbringung und Verköstigung der Zöglinge ent­ 168 Im Osmanischen Reich hatten die Dolmetscher einen gehobenen gesellschaftlichen Status. Manche Familien, wie jene der Köprülü, stellten zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine einfluss­ reiche Gruppe von Unternehmern, Gelehrten und Dolmetschern, von denen überliefert ist, dass sie bei Verhandlungen als »Dolmetscher, Einflüsterer oder einfach als die besseren Kenner der Materie hinter den offiziellen Würdenträgern« stünden (Herm 1993 : 225f.). 169 In Wien war man zu dieser Zeit gezwungen, für Dolmetschdienste auf »hiesige Levantiner« zurückzugreifen, was ebenfalls nicht zu zufrieden stellenden Resultaten führte (Breycha­ Vauthier 1980–1982 : 70). Auch in Preußen und anderen deutschen Staaten bediente man sich im auswär­ tigen Dienst zunächst »ehrenwerter Männer aus einheimischen Familien« der Levante (Kreiner 1989 : 1). Im Bailato, dem Sitz des venezianischen Botschafters an der Hohen Pforte, herrschte gegenüber den venezianischen Dolmetschern aufgrund ihrer Lebensumstände in Istanbul ebenso Misstrauen (vgl. Lucchetta 1983 : 1). Heinrich Alfred Barb, der in den Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts die Orientalische Akademie leitete und selbst als gerichtlich beeideter Dolmetscher »für orientalische Sprachen« tätig war (Niederösterreichischer Amtskalender 1882 : 381), spricht im Zusammenhang dieser Dolmetscher gar von »einer Schar levantinischer Abenteurer […], welche nicht bloß die Rolle der Vermittler übernahmen sondern nahezu als die eigentlichen Vertreter derselben fungierten« (Barb 1876 : 9). 170 Die ebenfalls verwendete Bezeichnung »enfants de langues« weist auf das zarte Alter hin, in dem die Kinder oder Jugendlichen bereits entsandt worden ; vgl. dazu Pfusterschmid­ Hardtenstein (1989 : 137, Anm. 49). Auch Venedig schickte im 17. und 18. Jahrhundert »giovini di lingua« an die Hohe Pforte – die dann zu Dragomanen herangebildet wurden –, ebenso wie die Republik von Dubrovnik, deren Dragomane im Ausbildungsstadium »mladici od jezika« genannt wurden (Pederin 1998 : 98).
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Untertitel
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Autor
Michaela Wolf
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
442
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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