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Die Ausbildung von Dragomanen 181
schädigt wurde, Türkisch, Persisch und auch Arabisch erlernten (ibid.: 243f.).171
Die Sprachknaben wurden von einheimischen Lehrern unterrichtet und erhiel
ten die Anregung, durch regen Austausch mit der einheimischen Bevölkerung,
durch den Besuch von Märkten, Gerichtshöfen u.a.m. die erforderlichen sprach
lichen Fertigkeiten zu erwerben (Gołuchowski 1904 : 4) ; auch beschränkte sich
die Ausbildung in Istanbul nicht auf die Sprache, sondern umfasste ebenso »die
türkischen Staatsmaximen und Gesetze«, den »Humor und modus tractandi ne
gotia« der Osmanen (Kaunitz über Penckler 1753, zit. nach Müller 1976 : 244).
So sind die Tätigkeiten einiger junger österreichischer Dolmetscher aus dem 18.
Jahrhundert dokumentiert, wie etwa jene des hier zitierten Joseph von Penckler
(1700–1774), der 1719 als Sprachknabe nach Istanbul zur Erlernung der ori
entalischen Sprachen geschickt wurde und sich durch seine Leistungen so aus
zeichnete, dass er bereits 1726 zum Dolmetscher bei der Hohen Pforte ernannt
und nach acht Jahren Dienst in Istanbul als kaiserlicher Hofdolmetscher nach
Wien berufen wurde. 1745 wurde er zum Internuntius erhoben und übte diese
prestigebehaftete Tätigkeit über zwei Jahrzehnte aus, was ihm schließlich »aus
eigener Bewegniß« der Kaiserin den Freiherrenstand verschaffte (Wurzbach
1870 : 452f.). Auf der Besoldungsliste der Internuntiatur des Jahres 1747 wie
derum scheint der Postexpedient Josef Peitler auf, der innerhalb des Postwesens
»mit dem Charakter eines kaiserlich königlichen orientalischen Sprechknaben
bekleidet« gewesen war (Bernardini 1996 : 19).
Mit zunehmender Bedeutung der diplomatischen und handelsmäßigen Be
ziehungen mit dem Osmanischen Reich wurde erkannt, dass die Ausbildung der
Sprachmittler auf eine professionelle Basis gestellt werden müsste, wozu auch
der Ruf nach einer fachlichen und den gesellschaftlichen Ansprüchen der Tätig
keit entsprechenden Ausbildung beitrugen. So erfolgte 1754 auf Vorschlag von
Staatskanzler Graf Kaunitz, der kurz davor von einem Botschaftsdienst in Paris
zurückgekehrt war und dort offensichtlich von der Einrichtung der »École des
Langues Orientales« inspiriert worden war, durch Maria Theresia die Gründung
der »Orientalischen Akademie«, die in einer ersten Phase auch »k.k. Akademie
der morgenländischen Sprachen« genannt wurde. Obwohl sie als Fachschule
zur Vorbereitung auf den »Dragomanatsdienst« im Osmanischen Reich kon
zipiert war, wiesen die im Rahmen der Ausbildung vermittelten Kenntnisse
171 Am Pariser Kollegium Louis le Grand wurde 1669/70 eine »Pflanzschule« für angehende Dol
metscher eingerichtet (Pfusterschmid Hardtenstein 1989 : 137). Die erste Schule dieser Art
wurde in Polen gegründet, und zwar 1622 in Choszim (heute Chotin, Ukraine) (Weiß von
Starkenfels 1839 : 3).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437