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Die Ausbildung von Dragomanen 185
schließlich in der Schaffung der »k. u. k. Konsularakademie« mündete. Diese Re
organisation brachte eine Verstärkung der wirtschaftlichen Vorbildung und die
Aufgliederung in zwei Studienzweige mit sich, wodurch vor allem die Sprach
ausbildung neu geregelt wurde (um dem Ȇberwuchern des linguistischen Ele
mentes im Lehrplane« entgegenzuwirken ; vgl. Gołuchowski 1904 : 44) und
damit den Sprung von einer vorrangig sprachmittlerisch orientierten Ausbil
dungsstätte für Dolmetscher zu einem sprachlich orientierten Ausbildungspro
gramm für Diplomaten vollzogen wurde. Dabei wurde durch den Einsatz spe
zieller Konversationsstunden die »vollständige Beherrschung der Sprache« und
keine philologische Ausbildung angestrebt, auch konnten die deutschsprachigen
Eleven auf Staatskosten während der Sommerferien bei ungarischen Familien
ihre Kenntnisse der ungarischen Sprache vervollkommnen und mit dem »bis
dahin meist unbekannten ungarischen Milieu näher vertraut« werden (Wildner
1961 : 36). Die »Westländische Abteilung« erhöhte die Englischstunden und re
duzierte drastisch den Unterricht in Italienisch, während Türkisch, Persisch und
Arabisch völlig gestrichen wurden ; ebenso war Ungarisch für Nichtungarn und
Deutsch für »Nichtdeutsche« verpflichtend. In der »Orientalischen Sektion«
wurden die Stunden in letzteren Sprachen zur Gänze beibehalten, Englisch je
doch völlig eliminiert und Italienisch stark reduziert. Russisch wurde in beiden
Abteilungen zur Gänze gestrichen (vgl. ibid.: 194f.).176
Dem Methodischen wurde im neuen Studienplan vorrangige Bedeutung ein
geräumt, nicht zuletzt, um den strukturellen und inhaltlichen Neuerungen zu
ihrer Durchsetzung zu verhelfen. Zunächst wurde nicht nur in den kommerzi
ellen und wirtschaftlichen Fächern, sondern auch im Sprachunterricht die Ein
richtung des »Seminars« von der Gepflogenheit der Universitäten übernommen.
Damit sollte an die Stelle der »vorwiegend receptive[n] Teilnahme« vielmehr
aktive Mitarbeit und »das selbständige Urtheil« vonseiten der Studenten treten
(Pidoll Quintenbach 1898 : 40).177 Ziel des Sprachunterrichts war die »vollstän
176 Im Berliner »Seminar für Orientalische Sprachen« hingegen hatten fast ausschließlich jene Spra
chen Vorrang, die in Ländern mit engen wirtschaftlichen Beziehungen zum Deutschen Reich
gesprochen wurden. Industrielle Verbände sorgten dafür, dass junge Geschäftsleute das Seminar
besuchten, um die Grundlage für die Erweiterung der Absatzgebiete gewährleisten zu können.
Unter den 114 Studierenden des ersten Studienjahres befanden sich immerhin 30 Geschäfts
leute, weiters 44 Juristen und 40 Philologen (Wilss 2000 : 60f.). So wies etwa das Fach Chine
sisch im Wintersemester 1887/88 eine Hörerzahl von 28 auf (gegenüber Türkisch 17, Persisch
fünf oder Suaheli sechs), während im Sommersemester 1914 Chinesisch 51 Hörer verzeichnete
und Suaheli gar auf 36 Hörer angestiegen war (Forstreuter 1981 : 198).
177 Was Pidoll
Quintenbach in seinem Promemoria betreffend die Reorganisation des Studienplanes der
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437