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Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 207
che, sondern auch Textsorten, wie Kataloge, Prospekte oder Zeitschriften ; in der
Spätphase des Untersuchungszeitraumes auch Vervielfältigungen dieser Text
sorten. Beglaubigungen werden nur in etwa 5 % aller Inserate offeriert, was auf
die Existenz der erwähnten Dolmetschkanzlei beeideter Dolmetscher, die sich
solcher Übersetzungen annahmen, zurückzuführen zu sein scheint ; manche der
Namen, die Beglaubigungen anbieten, sind tatsächlich auch unter den beeideten
Dolmetschern aufgelistet.
Äußerst vielfältig sind die Qualifikationen, mit denen die Büros zu punkten
versuchen. Zunächst wird das kulturelle Kapital ins Treffen geführt. Zwar wer
den diesbezügliche Informationen nur von einem Viertel aller Inserate gemacht,
doch wird der Stellenwert dieser Angabe offensichtlich zunehmend als wichtig
erachtet : Waren in den ersten 10 Jahren überhaupt keine Informationen zu Be
rufsausbildung oder Titel der ÜbersetzerInnen bzw. Büroinhaber vorzufinden,
häufen sich diese vor allem ab dem letzten Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende.
Anfangs sind die Angaben sehr allgemein gehalten (z. B. »Kaufmann«, »Bank
beamter« oder »Journalist«) und auf den ersten Blick nicht mit dem von ihnen
angebotenen Übersetzungsdienst in Verbindung zu bringen. In einer zweiten
Phase stellen die Übersetzer186 durch die Angabe ihres (Sprach )Lehrerberufs
ihre sprachlichen Kenntnisse in den Vordergrund. Ab der Jahrhundertwende
schließlich häufen sich in auffallender Weise translationsrelevante Berufsanga
ben, die von »Translator« über »Amtstranslator« zu »Dolmetsch« reichen.
Eine zweite Qualifikationslinie wird auf der Basis von Erfahrungswerten auf
gebaut, die sich vor allem auf die Eigenschaft als traditionsreiches Unternehmen
konzentrieren (»ältestes und erstes allgemeines Übersetzungsbureau«) und die
Internationalität betonen (»Erstes Internationales Uebersetzungsbureau«), auch
mit »lange[r] Erfahrung im Ausland« wird zu punkten versucht. Zu dieser Ka
tegorie kann auch der Hinweis auf die langjährige einschlägige Berufserfahrung
gezählt werden, der sich in Formulierungen wie »160.000 Übersetzungen seit
1880« (Eintrag aus dem Jahr 1900) niederschlägt. Auf die unmittelbare berufs
relevante Tätigkeit bezieht sich eine weitere Gruppe von Qualifikationen, die
die Geschwindigkeit und Korrektheit, mit der die Arbeiten ausgeführt werden,
zu präsentieren suchen. Rund 12 % aller Inserate vor allem ab der Jahrhundert
wende inkludieren solche Qualifikationen. Der Kreativität in den Formulierun
gen sind hier keine Grenzen gesetzt : Diese reichen von »Ü sofort, während
der Bote wartet, auch auf telefonischem Wege« über »garantirt richtige Ueber
setzung« bis zu »tadellose Ausführung« oder »formvollendete Uebersetzung«.
186 Aus den von Frauen aufgegebenen Inseraten sind keine Qualifikationen zu entnehmen.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437