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226 Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie
Salons zu den Instanzen intellektueller und künstlerischer Auslese. In seiner
Konzeption des »kulturell intellektuellen Kräftefeldes« verortet er historisch
wie gegenwärtig Institutionen kultureller Sanktionierung und Verbreitung wie
Verlagshäuser, Theater oder kulturelle und wissenschaftliche Vereinigungen, die
durch die Logik der Konkurrenz um kulturelle Legitimierung bestimmt sind.
Den »Geschmacksrichtern« (»hommes de goût«) kommt dabei zwar eine tra
gende Rolle zu, doch ist die dynamische Struktur des kulturell intellektuellen
Kräftefeldes letztlich durch die wechselseitigen Einwirkungen von Instanzen,
isolierten Kräften wie etwa dem Autor oder von ganzen Aktionssystemen, also
literarischen Gruppen oder auch Akademien, bedingt (Bourdieu 1997a : 78ff.).
Zu diesen Aktionssystemen zählt auch die Einrichtung der Literaturpreise,
die, je nach Art und Gewichtung der im Feld herrschenden kulturellen Nor
men und der jeweiligen Position der relevanten Akteure und Akteurinnen, einen
stärker oder schwächer legitimierenden Charakter haben. Zur Legitimierung
dieser Preise trägt in bedeutendem Ausmaß auch die Position der Jurymitglie
der kraft ihrer Autorität und damit deren Prestige im literarischen Feld bei.
Jurys renommierter Preise sind zumeist aus Personen zusammengesetzt, die als
ExpertInnen im Feld hohes Ansehen genießen. Was nun die Position von Preis
trägerInnen literarischer Texte anbelangt, so kann diese Position im kulturell
intellektuellen Kräftefeld zusätzlich gefestigt oder geschwächt werden, wenn
diese auch als ÜbersetzerInnen tätig sind, und zwar je nach Höhe des Prestiges
der vom Preisträger/der Preisträgerin verfassten Übersetzungen.
Die in der Zeit zwischen 1848 und 1918 aktiven Literaturpreise der Monar
chie sahen zwar erwartungsgemäß keine Prämierungen von Übersetzungen vor,
doch finden sich unter den PreisträgerInnen und Jurymitgliedern einige Namen,
die auch als ÜbersetzerInnen bekannt sind, wie etwa Alfred von Berger, Max
von Kalbeck, Isolde Kurz oder Siegfried Trebitsch (vgl. Rauscher 1937, Damba
cher 1996). Für die Habsburgermonarchie sind insgesamt acht Literaturpreise
nachzuweisen, die zwischen 1859 und 1910 gegründet worden waren, davon
sieben Preise in Wien und einer in Jetřichowitz, Böhmen. Tabelle 13 listet die
einzelnen Preise auf.
Literaturpreise haben als Legitimationsinstanz im Feld eine bedeutende
Rolle für den Ablauf literarischer Prozesse. Dies ist an einigen Geschehnis
sen rund um den Bauernfeldpreis klar erkennbar. Der Bauernfeldpreis wurde
1894 in Vollziehung des bauernfeldschen Testaments von der Eduard von
Bauernfeld’schen Prämienstiftung als »Preis für gute literarische Arbeiten mit be
sonderer Berücksichtigung von Bühnenwerken« ins Leben gerufen und bestand
bis 1923. Die insgesamt 93 PreisträgerInnen waren vorrangig österreichische
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437