Seite - 234 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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234 Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie
und insgesamt im kulturellen Feld der Monarchie genossen – auf die meisten
der obengenannten Namen traf dies durchaus zu – sowie von Jurymitgliedern
angesehener Literaturpreise zeigt, dass diese mit Gewissheit einen nicht zu un
terschätzenden Beitrag zur Erhöhung des Ansehens der Übersetzungstätigkeit
leisteten und, freilich nur in schwer zu dokumentierender Form, die Entstehung
von Translaten lenkten, wie etwa durch die Selektion von Texten oder die Her
ausgabe von Übersetzungen in bestimmten Verlagen oder Reihen. Andererseits
kann angenommen werden, dass prestigehafte Übersetzungen zumindest impli
zit die Chancen der jeweiligen KandidatInnen auf die Verleihung eines Preises
erhöhten, auch wenn dies im Einzelnen nicht nachgewiesen werden kann. In
jedem Fall nahmen die AkteurInnen durch ihr Handeln im literarischen Feld
qua Preisrichter und/oder KulturproduzentInnen eine bedeutende Vermitt
lungsrolle ein, die erheblich zur jeweiligen Beschaffenheit des Feldes beitrug.
Die hier dargelegten regelnden Faktoren einer allgemeinen Kulturpolitik, die
in vielfacher Weise auf die Tätigkeit des Übersetzens einwirken, zeugen von
einem konfliktreichen Feld, in dem die beteiligten AkteurInnen – sofern sie
oder ihre Werke nicht ins Ausland abwandern – agieren und über ihre kulturel
len Produkte um Anerkennung ringen. Wenn Murray Hall auf den »Gegensatz
zwischen einer bedeutenden literarischen Produktion, deren Ergebnisse weithin
rezipiert wurden, und den geringen Vermarktungsmöglichkeiten im Mutter
land« (Hall 1985 : 11) aufmerksam macht, so öffnet er den Blick auf die spezifi
sche Wirksamkeit (oder Abwesenheit !) kulturpolitischer Maßnahmen als Steu
erungsfaktor, der für das kulturelle Geschehen eines Landes – und erst recht
eines plurikulturellen Staates wie die Habsburgermonarchie – weitreichende
Folgen hat.
Der bisher diesbezüglich weitgehend unbeackerten (historischen) Überset
zungsforschung bietet sich ein weites Feld, in dem es gilt, die Zusammenhänge
zwischen explizit als – auch im weiteren Sinn – übersetzungspolitisch zu identi
fizierende Vorkehrungen vonseiten des Staates sowie spezifischer Institutionen
wie Verlage, Jurys von Literaturpreisen u.a.m. aufzuzeigen ; dementsprechend
wäre auch eine detaillierte Untersuchung der Rolle von VermittlerInnen in der
(übersetzungsrelevanten) Literaturförderung oder auch die Öffentlichkeitsarbeit
der Institutionen wie etwa Werbung von Verlagen205 von Erkenntnisinteresse.
Ebenso könnte die Analyse der habsburgischen Kulturpolitik in der Gründung
205 Im Kontext einer Analyse der problemhaften Verlagssituation in den letzten Jahren der Habsbur
germonarchie stellt Eckardt fest, dass es fast durchwegs an zielsicherer Werbung vonseiten der
Verlage fehlte (Eckardt 1919 : 234).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437