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268 Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen
nachhaltig prägte, als es zwar vordergründig durchaus auf individueller Reise
bzw. Fremderfahrung beruhte, in der Folge jedoch zu einem Symbol universell
menschlicher Erfahrung stilisiert wurde und damit in eine Modellfunktion für
nachfolgende Italienerfahrungen mutierte. Damit einhergehend entstand ein
Mythos, der reale Zustände verdeckte und »Italien« als idyllisches Paradies er
scheinen ließ. Daran änderten auch zeitgenössische Reisebeschreibungen wie
der Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 (1803) von Johann Gottfried Seume
(1763–1810) nichts, die – wie Seume aus der Fußgängerperspektive – die Kehr
seiten des überlieferten Italienbildes schildern. Wie der Historiker Fritz Fellner
in seiner Charakterisierung des Italienbildes der österreichischen Publizistik
und Geschichtswissenschaft konstatiert, handelte es sich um die Wende vom
19. zum 20. Jahrhundert beim Italienbild des in den Alpen und Donauregio
nen der Habsburgermonarchie lebenden »Bildungsbürgers« um das »›Erlebnis‹
des vergangenen Italiens, um die Begeisterung für Antike und Kunst« (Fellner
1982 : 121) – ein Bild, das gerade durch Goethes Italienische Reise festgeschrie
ben wurde. Der Frage, ob diese – vorrangig von außen konstruierten – verklärten
Perspektiven oder die von Feindbildern und Klischees gezeichneten Wahrneh
mungen, die sich im Zuge der Herausbildung des italienischen Nationalstaa
tes in Form von politisch ideologischen Auseinandersetzungen manifestierten,
schließlich die Oberhand gewinnen, ist im Rahmen der Studie italienisch deut
scher Übersetzung nachzugehen.228 Zur Diskussion kultureller Handlungen,
die aus den vielfältigen »italienisch«–»österreichischen« Berührungsmomenten
resultieren und in der Folge auf den Übersetzungstypus der polykulturellen
Translation beschränkt werden, erscheint es deshalb unter der Berücksichtigung
des Entstehungsraumes dieser translatorischen Tätigkeiten – vorrangig urbane,
deutschsprachige Zentren der Habsburgermonarchie – angezeigt, in einem ers
ten Schritt die italienische Präsenz in diesen Zentren zu beleuchten, bevor auf
die intellektuellen Austauschbeziehungen zwischen dem deutsch und italie
nischsprachigen Raum als mehr oder weniger unmittelbare Voraussetzung für
die Entstehung von Übersetzungen eingegangen wird.
Der Anteil an Italienischsprachigen in der Habsburgermonarchie divergierte
je nach Zugehörigkeit der Reichsteile ; bis 1859, also bis zum Anschluss der
Lombardei an das Königreich Italien, bildete die italienischsprachige Bevölke
228 Auf einzelne Fragen wie Klischeebildung – vgl. etwa »Machiavelli Klischee« Wandruszka
(1975b : 23f.) oder die Sicht von Italienern als »Katzelmacher« Mais (1957), Wandruszka (1975b :
25ff.) –, deren Bedeutung für die Formierung dieser Wahrnehmungen nicht zu unterschätzen ist,
kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437